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Geltungszeitraum von: 01.07.1986

Geltungszeitraum bis: 31.12.2023

Rechtsverordnung über die Benutzung des kirchlichen Archivgutes (Benutzungsordnung) in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau

Vom 30. Juni 1986

(ABl. 1986 S. 145)

Gemäß Artikel 48 Abs. 2 m Kirchenordnung in Verbindung mit § 5 Kirchenarchivgesetz1# vom 17. März 1984 (ABl. 1984 S. 48) hat die Kirchenleitung die folgende Rechtsverordnung beschlossen:
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§ 1
Geltungsbereich

Die Rechtsverordnung über die Benutzung des kirchlichen Archivgutes (Benutzungsordnung) gilt für alle kirchlichen Dienststellen, die kirchliches Archivgut verwalten (im Folgenden „Archive“ genannt). Sie gilt entsprechend für den Bereich des Diakonischen Werkes und für andere rechtlich selbstständige kirchliche Werke und Einrichtungen, soweit die zuständigen Organe die Übernahme beschließen.
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§ 2
Zulassung zur Benutzung

( 1 ) Das kirchliche Archivgut steht zur amtlichen und zur nicht amtlichen Benutzung zur Verfügung.
( 2 ) Für Dienststellen, die nicht zur Evangelischen Kirche gehören, ist die amtliche Benutzung nur zulässig, wenn die Gegenseitigkeit gewährleistet ist.
( 3 ) Die nicht amtliche Benutzung ist grundsätzlich jedermann möglich, der ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht, insbesondere ein kirchliches, wissenschaftliches, rechtliches oder familiengeschichtliches Interesse.
( 4 ) Das Nähere regeln die folgenden Bestimmungen.
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§ 3
Benutzungsantrag

( 1 ) Die Benutzung von Archivgut ist schriftlich bei dem Archiv zu beantragen. Der Antrag muss Angaben zur Person des Benutzers und ggf. seines Auftraggebers, zum Forschungsgegenstand und Benutzungszweck sowie darüber enthalten, ob und wie die Forschungsergebnisse ausgewertet werden sollen.
( 2 ) Mit dem Antrag verpflichtet sich der Antragsteller, die Benutzungsordnung einzuhalten.
( 3 ) Für jeden Forschungsgegenstand ist ein gesonderter schriftlicher Antrag zu stellen.
( 4 ) Wünscht ein Benutzer, andere Personen als Hilfskräfte oder Beauftragte zu seinen Arbeiten heranzuziehen, so ist von diesen jeweils ein besonderer Antrag zu stellen.
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§ 4
Benutzungserlaubnis

( 1 ) Über den Benutzungsantrag entscheidet der Leiter des Archivs. Die Benutzungserlaubnis kann mündlich oder schriftlich erteilt werden.
( 2 ) Die Benutzungserlaubnis kann mit Auflagen versehen werden.
( 3 ) Die Benutzungserlaubnis ist zu versagen, wenn das Archiv oder das gewünschte Archivgut nicht benutzbar ist,
( 4 ) Die Benutzungserlaubnis ist zu versagen, wenn gegen den Zweck der Benutzung schwerwiegende Bedenken bestehen, insbesondere
  1. Grund zur Annahme besteht, dass durch die Benutzung das Wohl der Evangelischen Kirche in Deutschland, einer ihrer Gliedkirchen oder deren Einrichtungen und Werke gefährdet wird,
  2. die Gefahr besteht, dass Archivgut beschädigt wird oder verloren geht,
  3. die begründete Vermutung besteht, dass der Antragsteller Auflagen oder sonstige Bindungen nicht einhalten will oder kann, und insbesondere nicht gewährleistet erscheint, dass die Urheber- und Persönlichkeitsrechte sowie die Regelungen zum Schutze berechtigter Interessen Dritter beachtet werden und der Benutzer für die eventuelle Verletzung dieser Rechte einsteht,
( 5 ) Bei Zweifeln ist die Entscheidung des Zentralarchivs einzuholen.
( 6 ) Wird die Benutzung erlaubt, ist schriftlich festzuhalten, welches Archivgut mit welchen Auflagen vorgelegt wird.
( 7 ) Die Benutzungserlaubnis begründet keinen Anspruch auf Einsicht in Findbücher, Findkarteien und andere Hilfsmittel zur Erschließung von Archivgut.
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§ 5
Benutzungsbeschränkungen

( 1 ) Die Benutzung von Archivgut ist nicht zu gestatten, wenn
  1. gesetzliche Bestimmungen, Verwaltungsvorschriften oder Anordnungen der abgebenden Stellen entgegenstehen,
  2. das Archivgut Geheimhaltungsvorschriften unterliegt,
  3. Grund zu der Annahme besteht, dass schutzwürdige Belange Dritter entgegenstehen,
  4. für Deposita amtlicher oder Archivgut privater Herkunft entsprechende Vereinbarungen getroffen worden sind.
( 2 ) Die Benutzung von Archivgut ist in der Regel nicht zu gestatten, wenn
  1. die Ermittlung und Aushebung einen nicht vertretbaren Verwaltungsaufwand erfordern,
  2. der Erhaltungs- oder Ordnungszustand des Archivgutes gefährdet ist,
  3. der mit der Benutzung verfolgte Zweck durch Einsichtnahme in Reproduktionen, Druckwerke oder andere Veröffentlichungen erreicht werden kann.
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§ 6
Widerruf der Benutzungserlaubnis

Die Benutzungserlaubnis kann widerrufen werden, wenn
  1. die Angaben im Benutzungsantrag nicht oder nicht mehr zutreffen,
  2. nachträgliche Gründe bekannt werden, die zur Versagung geführt hätten,
  3. die Auflagen nicht erfüllt werden,
  4. der Benutzer gegen die Benutzerordnung verstößt.
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§ 7
Schutzfristen

( 1 ) Archivgut amtlicher Herkunft darf erst 30 Jahre nach seiner Entstehung benutzt werden. Besondere Bestimmungen können längere Schutzfristen vorsehen.
( 2 ) Archivgut amtlicher Herkunft, das sich nach seiner Zweckbestimmung auf natürliche Personen bezieht, darf erst 30 Jahre nach dem Tode des Betroffenen durch Dritte benutzt werden. Ist das Todesjahr nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand festzustellen, endet die Schutzfrist 120 Jahre nach der Geburt des Betroffenen. Besondere Bestimmungen können längere Schutzfristen vorsehen.
( 3 ) Ausnahmen von den allgemeinen Schutzfristen kann die Kirchenverwaltung genehmigen.
( 4 ) Für Archivgut privater Herkunft gelten die besonderen Bestimmungen des Übernahmevertrages.
( 5 ) Archivgut im Sinne von Absatz 2 darf vor Ablauf der Schutzfrist ohne Einwilligung des Betroffenen oder seines Rechtsnachfolgers nur benutzt werden, wenn die Benutzung zu wissenschaftlichen Zwecken oder zur Wahrnehmung berechtigter persönlicher Belange erfolgt und das Archivgut anonymisiert oder die schutzwürdigen Belange Betroffener durch andere Maßnahmen angemessen berücksichtigt werden.
( 6 ) Die Schutzfristen der Absätze 1 und 2 gelten nicht für solches Archivgut, das bereits bei seiner Entstehung zur Veröffentlichung bestimmt war.
( 7 ) Findbehelfe für geschütztes Archivgut dürfen vor Ablauf der Schutzfristen nur mit Genehmigung des Archivleiters zur Benutzung vorgelegt werden.
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§ 8
Schutzbestimmungen

( 1 ) Die Erlaubnis zur Benutzung und Veröffentlichung von Archivgut, in dem schutzwürdige Belange Dritter berührt werden, kann von der Zustimmung des Betroffenen oder seines Rechtsnachfolgers abhängig gemacht werden, die der Benutzer beizubringen hat. Der Benutzer hat schriftlich zu erklären, dass er die Urheber- und Persönlichkeitsrechte sowie den Schutz berechtigter Interessen Dritter beachten wird und dass er für die Verletzung dieser Rechte und Interessen einsteht.
( 2 ) Dateien mit personenbezogenen Daten gelten als Archivgut amtlicher Herkunft, das sich nach seiner Zweckbestimmung auf natürliche Personen bezieht. Die Vorschriften des kirchlichen Datenschutzgesetzes gelten auch für archivierte Daten mit personenbezogene Daten.
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§ 9
Benutzung von Kirchenbüchern

( 1 ) Kirchenbücher gelten als Archivgut amtlicher Herkunft, das sich nach seiner Zweckbestimmung auf natürliche Personen bezieht.
( 2 ) Kirchenbücher nach dem Inkrafttreten des Personenstandsgesetzes am 1.1.1876 oder einer entsprechenden landesrechtlichen Regelung sind nur zur Ermittlung der kirchlichen Amtshandlung zu benutzen. Ausnahmen im Rahmen des Personenstandsrechtes sind möglich, wenn die entsprechenden standesamtlichen Unterlagen nachweislich vernichtet oder verschollen sind.
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§ 10
Belegexemplare

Der Benutzer ist verpflichtet, von Arbeiten, die unter wesentlicher Verwendung von Archivgut verfasst worden sind, dem Archiv unverzüglich nach Fertigstellung ein Belegexemplar unaufgefordert und unentgeltlich zu überlassen. Ist der Anteil des benutzten Archivgutes am Gesamtwerk gering, so sind Veröffentlichungen unter Angabe des Titels, Verlages und Erscheinungsjahres oder der Zeitschrift dem Archiv anzuzeigen.
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§ 11
Gebühren und Auslagen

Gebühren und Auslagen für die Inanspruchnahme des Archivs werden nach der Gebührenordnung für die Benutzung kirchlicher Archive2# in der jeweils geltenden Fassung erhoben.
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§ 12
Benutzung im Archiv

( 1 ) Archivgut, Findbehelfe und Bücher dürfen nur in dem dazu bestimmten Raum zu festgelegter Zeit unter Aufsicht benutzt werden.
( 2 ) Sie sind sorgfältig und behutsam zu behandeln; alles, was ihren bestehenden Zustand verändert oder gefährdet, ist zu unterlassen. Entdeckt der Benutzer Schäden, Verluste, Unstimmigkeiten oder unrichtig eingefügte Schriftstücke, so hat er den Aufsichtführenden sofort davon zu unterrichten.
( 3 ) Technische Hilfsmittel des Archivs stehen, soweit der Dienstbetrieb es zulässt, dem Benutzer zur Verfügung. Ein Anspruch auf ihre Benutzung besteht nicht. Eigene technische Hilfsmittel darf der Benutzer nur mit Genehmigung des Archivs verwenden.
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§ 13
Benutzung fremden Archivgutes

Für die Benutzung von Archivgut, das von anderen Archiven und Einrichtungen übersandt wird, gelten die gleichen Bestimmungen wie für archiveigenes Archivgut, sofern die übersendende Stelle nicht anderslautende Auflagen macht. Die Kosten des Versands und anfallende Gebühren trägt der Benutzer.
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§ 14
Ausweispflicht

Antragsteller und Benutzer haben sich auf Verlangen jederzeit auszuweisen.
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§ 15
Schriftliche Auskünfte

( 1 ) Das Archiv erteilt Auskünfte auf schriftliche Anfragen. Bei der Anfrage sind Gegenstand und Zweck genau anzugeben.
( 2 ) Die schriftlichen Auskünfte des Archivs beschränken sich in der Regel auf Hinweise über Art, Umfang und Zustand des betreffenden Archivgutes.
( 3 ) Ein Anspruch auf Auskünfte, die eine beträchtliche Arbeitszeit erfordern, oder auf Beantwortung von wiederholten Anfragen innerhalb eines kürzeren Zeitraumes besteht nicht.
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§ 16
Benutzung nach Reproduktionen

( 1 ) Im Rahmen der Benutzung kann der Benutzer auf eigene Kosten Reproduktionen von dem für die Benutzung freigegebenen Archivgut im Rahmen der technischen und personellen Möglichkeiten des Archivs herstellen lassen. Das Archiv entscheidet, ob und nach welchem Verfahren Reproduktionen möglich sind. Der Benutzer darf Reproduktionen grundsätzlich nicht selbst anfertigen.
( 2 ) Ein Anspruch auf Reproduktionen besteht nicht. Insbesondere hat der Benutzer keinen Anspruch darauf, dass größere Aufträge zu Lasten anderer Benutzer oder des Dienstbetriebes durchgeführt werden.
( 3 ) In der Regel werden nur Teile von Archivalieneinheiten reproduziert. Reproduktionen ganzer Archivalieneinheiten werden grundsätzlich nicht angefertigt.
( 4 ) Die ausgehändigten Reproduktionen dürfen nur mit Zustimmung des Archivs veröffentlicht, dupliziert oder an Dritte weitergegeben. Bei Veröffentlichung und Vervielfältigung sind stets das Archiv und die Archivsignatur des Originals anzugeben.
( 5 ) Die Weiterverwendung der Reproduktionen für ein anderes Forschungsvorhaben als das beantragte bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Archivs.
( 6 ) Reproduktionen von Findbehelfen zu zugänglichen Archivalien werden nur abgegeben, wenn die Archivalien abschließend geordnet und verzeichnet sind.
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§ 17
Versand von Archivgut

( 1 ) Archivgut kann nur in begründeten Ausnahmefällen zur nicht amtlichen Benutzung an hauptamtlich verwaltete auswärtige Archive versandt werden. Der Versand an andere Einrichtungen oder an Privatpersonen ist nicht zulässig.
( 2 ) Die Benutzung des versandten Archivgutes richtet sich nach den Vorschriften dieser Benutzungsordnung.
( 3 ) Vom Versand ausgeschlossen sind Findbehelfe und Archivgut, das
  1. Benutzungsbeschränkungen unterliegt,
  2. wegen seines hohen Wertes, seines Ordnungs- und Erhaltungszustandes, seines Formates oder aus anderen konservatorischen oder Sicherheitsgründen nicht zum Versand geeignet ist,
  3. häufig benutzt wird,
  4. noch nicht abschließend verzeichnet ist.
( 4 ) Die Herstellung von Reproduktionen aus versandtem Archivgut bedarf der Genehmigung des versendenden Archivs.
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§ 18
Ausleihe von Archivgut

Zu Zwecken der Öffentlichkeitsarbeit, insbesondere für Ausstellungen, kann Archivgut unter bestimmten Bedingungen und Auflagen ausgeliehen werden. Über die Ausleihe ist zwischen dem Leihgeber und dem Entleiher ein Leihvertrag abzuschließen, der der Genehmigung durch das Zentralarchiv bedarf.
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§ 19
Ausführungsanweisung

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§ 20
Inkrafttreten

Diese Benutzungsordnung tritt am 1. Juli 1986 in Kraft. Gleichzeitig tritt die „Ordnung für die Benutzung kirchlicher Archivalien (Benutzerordnung)“ vom 12. 10. 1965 (ABl. 1965 S. 78 ff.) außer Kraft.

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1 ↑ Nr. 935.
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2 ↑ Nr. 942.
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3 ↑ Nr. 941.