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Vereinbarung über den Dienst der evangelischen Seelsorge in speziellen Hafteinrichtungen des Landes Hessen für den Vollzug von ausländerrechtlichen Freiheitsentziehungsmaßnahmen

Vom 15. Mai 20191#

Zwischen der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, vertreten durch die Kirchenleitung, der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, vertreten durch den Bischof, der Evangelischen Kirche im Rheinland, vertreten durch die Kirchenleitung, − nachfolgend Kirchen und im Einzelnen jeweils Kirche genannt − und dem Lande Hessen, vertreten durch den Minister des lnnern und für Sport, − nachfolgend Land genannt − wird für den Dienst der evangelischen Seelsorge in speziellen Hafteinrichtungen des Landes Hessen für den Vollzug von ausländerrechtlichen Freiheitsentziehungsmaßnahmen Folgendes vereinbart:
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Artikel 1

( 1 ) Die Seelsorge in den speziellen Hafteinrichtungen für Ausreisepflichtige des Landes Hessen bildet einen Teil der den Kirchen obliegenden allgemeinen Seelsorge. Sie wird von Seelsorgerinnen und Seelsorgern ausgeübt. Für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Seelsorge mit gleichwertiger theologischer und pastoraler Ausbildung gilt diese Vereinbarung entsprechend.
( 2 ) Durch die Kirche, in deren Zuständigkeitsbereich die Dienststelle jeweils liegt, werden die Seelsorgerinnen und Seelsorger gegenüber dem Land benannt.
( 3 ) Die Seelsorgerinnen und Seelsorger stehen im Dienst der jeweiligen Kirche und unterliegen deren Dienstaufsicht. Im Rahmen dieser Aufsicht ist die jeweilige Kirche berechtigt, Visitationen entsprechend ihrer Visitationsordnung vorzunehmen.
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Artikel 2

Die Seelsorgerinnen und Seelsorger sind zu verpflichten, bei der Ausübung ihres Dienstes die für den Vollzug der Abschiebungshaft außerhalb von Justizvollzugsanstalten geltenden Bestimmungen des VaFG und die hierauf beruhenden Anordnungen der Einrichtungsleitung zu beachten.
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Artikel 3

( 1 ) Die Seelsorge umfasst insbesondere folgende Aufgaben:
    1. Feier von Gottesdiensten, insbesondere an Sonn- und Feiertagen
    2. Feier der Sakramente,
    3. Vornahme von Kasualien;
    1. Einzelseelsorge einschließlich der Besuche im Haftraum und Aussprache mit den Ausreisepflichtigen,
    2. Krankenseelsorge,
    3. Kontaktaufnahme mit Angehörigen und den Kirchengemeinden der Ausreisepflichtigen;
    1. religiöse Unterweisung und sonstige Hilfen zur Persönlichkeitsbildung,
    2. Durchführung von religiösen Gesprächskreisen und Veranstaltungen zur Gruppenseelsorge;
  1. caritativ-diakonisches Handeln unter Beachtung der sich aus dem Vollzug der Abschiebungshaft ergebenden Einschränkungen;
  2. Durchführung und Überwachung von Besuchen Dritter aus besonderem seelsorgerischem Anlass, soweit nicht die Einrichtungsleitung aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung widerspricht;
  3. Mitwirkung bei der sozialen Hilfe für Ausreisepflichtige und deren Angehörige;
  4. regelmäßiger Informationsaustausch mit der Einrichtungsleitung;
  5. Seelsorge an Bediensteten der Einrichtung;
  6. Mitwirkung bei der Aus- und Fortbildung der Bediensteten der Einrichtung;
  7. Beratung bei der Anschaffung von Medien und Mitwirkung bei der Anschaffung religiöser Bücher, Schriften und anderer Medien.
( 2 ) Die Seelsorgerin oder der Seelsorger kann bei der Durchführung der vorgenannten Aufgaben Hilfspersonen hinzuziehen. Die Einrichtungsleitung kann dem im Einzelfall aus überwiegenden Gründen der Sicherheit widersprechen.
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Artikel 4

( 1 ) Für die Seelsorgetätigkeit (bis zu 20 Stunden pro Monat) wird der jeweils zuständigen Kirche ein monatlicher Pauschalbetrag in Höhe von insgesamt 800,00 € erstattet.
( 2 ) Der Erstattungsbetrag ist monatlich im Voraus an die von der jeweiligen zuständigen Kirche benannte Kasse zu zahlen.
( 3 ) Sollte sich in Zukunft die Anzahl der Ausreisepflichtigen in der jeweiligen speziellen Hafteinrichtung des Landes Hessen für den Vollzug von ausländerrechtlichen Freiheitsentziehungsmaßnahmen wesentlich erhöhen oder verringern und dadurch eine größere oder geringere Stundenzahl für die Seelsorgetätigkeit benötigt werden, wird der Pauschalbetrag im Einvernehmen zwischen dem Land und der jeweiligen Kirche erhöht oder reduziert.
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Artikel 5

( 1 ) Für die Seelsorge (Artikel 3) gelten die Gottesdienstordnungen, Ordnungen und Bestimmungen der Kirche.
( 2 ) Die Einrichtung schafft die zur Dienstausübung der Seelsorge nötigen organisatorischen Voraussetzungen. Dazu gehören im Rahmen der geltenden Bestimmungen und gegebenen Möglichkeiten:
  1. Mitteilung der Personalien der zu- und abgehenden Ausreisepflichtigen ihres Bekenntnisses, sofern diese nicht widersprechen, sowie anderer Ausreisepflichtiger mit deren Zustimmung;
  2. Zugang zu den Ausreisepflichtigen;
  3. Bereitstellung eines geeigneten Dienstzimmers;
  4. Ermöglichung von Seelsorgegesprächen mit Ausreisepflichtigen im Dienstzimmer;
  5. Unverzügliche Information über besondere Vorkommnisse, insbesondere Erkrankungen, Suizidversuche, Todesfälle;
  6. Berücksichtigung der Gottesdienste und anderer religiöser Veranstaltungen der Seelsorge durch die Einrichtungsleitung;
  7. Zuteilung geeigneter Räume für die Veranstaltungen der Seelsorge;
  8. Ungehinderte Führung telefonischer Dienstgespräche;
  9. Bereitstellung von Mitteln zur Deckung des angemessenen Sachbedarfs;
  10. Ungehinderter Zugang zum Internet.
( 3 ) Die Planung, Gestaltung und Einrichtung von Gottesdiensträumen in der Einrichtung erfolgt im Einvernehmen mit der zuständigen Kirche.
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Artikel 6

Das Beicht- und Seelsorgegeheimnis ist zu achten.
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Artikel 7

( 1 ) Probleme bei ihrer Arbeit sollen die Seelsorgerinnen und Seelsorger in Gesprächen mit der Einrichtungsleitung gemeinsam zu lösen versuchen.
( 2 ) Beschwerden über Seelsorgerinnen und Seelsorger werden über das für den Vollzug der Abschiebungshaft zuständige Ministerium der Kirche mitgeteilt. Beschwerden der Seelsorgerinnen und Seelsorger, die den Zuständigkeitsbereich des Landes betreffen, legt die Kirche dem für den Vollzug der Abschiebungshaft zuständigen Ministerium vor, wenn sie es für erforderlich hält. Das für den Vollzug der Abschiebungshaft zuständige Ministerium und die Kirche bemühen sich um eine einvernehmliche Lösung.
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Artikel 8

Seelsorgerinnen und Seelsorgern, die Vorschriften zur Sicherheit und Ordnung der Einrichtung in grobem Maße verletzt haben, kann die Einrichtungsleitung im Benehmen mit dem für den Vollzug der Abschiebungshaft zuständigen Ministerium mit sofortiger Wirkung einstweilen das Betreten der Einrichtung untersagen. Das für den Vollzug der Abschiebungshaft zuständige Ministerium benachrichtigt unverzüglich die Kirche, um die Angelegenheit einvernehmlich zu regeln.
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Artikel 9

Die Vertragschließenden veranstalten in der Regel einmal jährlich gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern der katholischen Bistümer für alle Seelsorgerinnen und Seelsorger in speziellen Hafteinrichtungen des Landes Hessen für den Vollzug von ausländerrechtlichen Freiheitsentziehungsmaßnahmen eine Besprechung zu Fragen der Seelsorge und des Vollzugs der Abschiebungshaft.
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Artikel 10

Die Vertretung in der Seelsorge in Urlaubs-, Krankheits- und anderen Verhinderungsfällen regelt die zuständige Kirche mit der Einrichtungsleitung.
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Artikel 11

Allgemeine Regelungen, die in der Kirche für alle Seelsorgerinnen und Seelsorger gelten, sind auch für die in der Einrichtung tätigen Seelsorgerinnen und Seelsorger entsprechend anzuwenden.
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Artikel 12

Die Vertragschließenden werden eine etwa in Zukunft auftretende Meinungsverschiedenheit über die Auslegung oder Anwendung einer Bestimmung dieser Vereinbarung auf freundschaftliche Weise beseitigen.
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Artikel 13

Diese Vereinbarung tritt am 15.05.2019 in Kraft.

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1 ↑ Datum des Inkrafttretens.