.
Kirchengericht:Kirchliches Verfassungs- und Verwaltungsgericht der EKHN
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:31.05.2021
Aktenzeichen:KVVG I 5/21
Rechtsgrundlage:§ 123 VwGO; § 22 KGWO
Vorinstanzen:
Schlagworte:Gemeinderecht, Kirchenvorstandswahl, Wahlprüfung, Wahlvorschlag
#

Leitsatz:

Die gerichtliche Kontrolle der Ordnungsgemäßheit der Kirchenvorstandswahlen ist ausschließlich dem nachträglichen Wahlprüfungsverfahren vorbehalten (vgl. KVVG, Gerichtsbescheid vom 25.08.2016 – I 2/16 – Amtl. Sammlg. Nr. 157).

Tenor:

  1. Der Antrag wird zurückgewiesen.
  2. Für das Verfahren werden Gebühren und Auslagen nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten hat der Antragsteller zu tragen.
#

Gründe:

#

I.

Der Antragsteller begehrt seine Aufnahme in den Wahlvorschlag der Antragsgegnerin für die Kirchenvorstandswahl am 13.06.2021.
Der Antragsteller ist Gemeindeglied der Antragsgegnerin. Mit Mail vom 01.12.2020 bekundete er seine Bereitschaft zur Kandidatur für die Wahl. Am 04.12.2020 wurde dem Antragsteller mündlich eröffnet, dass der Benennungsausschuss beschlossen habe, ihn nicht in den vorläufigen Wahlvorschlag aufzunehmen. Am 13.12.2020 wurde der vorläufige Wahlvorschlag veröffentlicht. Mit Mail vom 30.12.2020 machte der Antragsteller geltend, Beschluss und Veröffentlichung seien unwirksam, und beantragte Einsicht in die Kirchenvorstandsprotokolle. Mit Schreiben vom 13.01.2021 teilte der Vorsitzende des Kirchenvorstands dem Antragsteller mit, dass der Benennungsausschuss am 04.12.2020 entschieden habe, den Antragsteller nicht in den vorläufigen Wahlvorschlag aufzunehmen. Rechtsverstöße seien nicht ersichtlich. Bei Gesprächen mit Mitgliedern des Benennungsausschusses wurde dem Antragsteller nach dessen Darstellung mitgeteilt, es fehle ihm nicht die Eignung. Der Vorsitzende des Kirchenvorstandes habe aber erklärt, ihm sei eine gedeihliche Zusammenarbeit mit dem Antragsteller nicht möglich.
Am 04.02.2021 suchte der Antragsteller um vorläufigen Rechtsschutz bei dem Kirchlichen Verfassungs- und Verwaltungsgericht nach. Nach einem gerichtlichen Hinweis auf die Unzulässigkeit des Antrags, nahm er ihn mit Schreiben vom 10.02.2021 zurück. Mit Beschluss vom 12.02.2021 – I 2/21 – stellte das Kirchliche Verfassungs- und Verwaltungsgericht das Verfahren ein.
Bereits zuvor hatte der Antragsteller mit Schreiben vom 08.02.2021 bei dem Dekanatssynodalvorstand beantragt, den gesamten Wahlvorschlag der Antragsgegnerin zurückzuweisen und die erneute Aufstellung eines vorläufigen Wahlvorschlags anzuordnen. Eine Entscheidung wurde dem Antragsteller trotz verschiedener Erinnerungen bislang nicht mitgeteilt.
Am 03.05.2021 hat der Antragsteller erneut den Eilantrag vom 04.02.2021 bei dem Kirchlichen Verfassungs- und Verwaltungsgericht gestellt.
Er rügt in formeller Hinsicht die fehlerhafte Konstituierung des Benennungsausschusses. Er bemängelt, dass der Wahlvorschlag entgegen § 6 Abs. 1 Satz 1 KGWO lediglich so viele Kandidatinnen und Kandidaten enthalte, wie Mitglieder in den Kirchenvorstand zu wählen seien. Vor der Entscheidung des Benennungsausschusses über seine Nichtberücksichtigung sei der Antragsteller weder angehört worden noch sei der Wahlvorschlag der Gemeinde oder ihm gegenüber begründet worden. In materieller Hinsicht bemängelt der Antragsteller, dass die Grenzen des eröffneten Ermessensspielraums von der Antragsgegnerin nicht eingehalten worden seien. Seinen Rechtsschutzantrag hält er für zulässig. Der alleinige Verweis auf das nachträgliche Wahlprüfungsverfahren genüge nicht und schade der Integrität der demokratischen Prozesse in der Kirche.
Der Antragsteller beantragt,
den vorläufigen Wahlvorschlag des Benennungsausschusses des Kirchenvorstandes der evangelischen Kirchengemeinde in B-Stadt aufzuheben und dem Benennungsausschuss aufzugeben, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts ermessensfehlerfrei darüber zu entscheiden, den Antragsteller in den Wahlvorschlag aufzunehmen.
hilfsweise
den Benennungsausschuss zu verpflichten, den Antragsteller in den vorläufigen Wahlvorschlag zusätzlich aufzunehmen.
höchst hilfsweise
festzustellen, dass die Frist zur Einreichung von Wahlvorschlägen nicht am 12. Februar abläuft und dem Benennungsausschuss aufzugeben, die noch zu vervollständigende Bewerbung des Antragstellers ermessensfehlerfrei zu prüfen,
oder soweit die einstweilige Anordnung in dieser Form nicht ergeht, weil der Fristablauf zur Abgabe der Wahlvorschläge wirksam begonnen hat,
der Gemeinde aufzugeben, die Frist zur Einreichung von Wahlvorschlägen zu verschieben, um es dem Antragsteller zu ermöglichen, bisher unterbliebene Form- und andere Vorschriften für die Abgabe seiner ordnungsgemäßen Wahlbewerbung zu erfüllen und eine gültige Bewerbung nachzuholen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie hält den Antrag für unzulässig. Er sei zudem auch unbegründet. Die Antragsgegnerin habe den Wahlvorschlag unter Beachtung aller rechtlichen Vorgaben erstellt. Der Antragsteller habe seine Bedenken dem Dekanatssynodalvorstand mitgeteilt. Dieser habe das Verfahren zur Aufstellung des Wahlvorschlags gemäß § 12 Abs. 1 KGWO geprüft, keine Mängel festgestellt und der Antragsgegnerin daher die Freigabe für die Fortsetzung der Wahlvorbereitung erteilt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
#

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg.
Maßgebliche Verfahrensordnung ist das Kirchengesetz über das Kirchliche Verfassungs- und Verwaltungsgericht der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau – KVVG –. Dieses kennt eine § 46 des von dem Antragsteller herangezogenen Verwaltungsgerichtsgesetzes der EKD – VwGG.EKD – vergleichbare Regelung über die einstweilige Anordnung nicht. Doch kommt auch im Verfahren vor dem angerufenen Gericht zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes der Erlass einer einstweiligen Anordnung entsprechend § 123 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – vor Erhebung einer Klage im Hauptsacheverfahren in Betracht (KVVG, Beschluss vom 14.04.1986 – II 6/86 –, Amtl. Sammlg. Nr. 61). Aus der grundsätzlichen Statthaftigkeit eines derartigen Eilverfahrens folgt aber keine Erweiterung des gerichtlichen Zuständigkeitsbereichs. Auch im Wege der einstweiligen Anordnung kann das Kirchengericht nur in den von dem Kirchengerichtsgesetz und in sonstigen Gesetzen (vgl. § 3 Abs. 3 KVVG) vorgesehenen Fällen angerufen werden (KVVG, Beschluss vom 24.02.2004 – I 8/03 –, Amtl. Sammlg. Nr. 132). Danach kommt Rechtsschutz im Vorfeld der Durchführung einer Kirchenvorstandswahl nicht in Betracht. Vielmehr ist die gerichtliche Kontrolle der Ordnungsgemäßheit der Kirchenvorstandswahlen ausschließlich dem nachträglichen Wahlprüfungsverfahren vorbehalten (vgl. KVVG, Gerichtsbescheid vom 25.08.2016 – I 2/16 – Amtl. Sammlg. Nr. 157).
Dies folgt aus den Regelungen der Kirchengemeindewahlordnung – KGWO –. Während dort ursprünglich keinerlei gerichtliche Zuständigkeit zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Kirchenvorstandswahlen vorgesehen war (vgl. dazu KVVG, Beschluss vom 05.09.2003 – II 5-7/03 –, Amtl. Sammlg. Nr. 128), bestimmt inzwischen § 22 Abs. 5 Satz 1 KGWO, dass gegen die Entscheidung des Dekanatssynodalvorstandes über Einsprüche gegen die Gültigkeit der Wahl binnen einer Frist von zwei Wochen nach Mitteilung der Entscheidung Klage beim Kirchlichen Verfassungs- und Verwaltungsgericht erhoben werden kann. Weitere gerichtliche Zuständigkeiten sieht die Kirchengemeindewahlordnung nicht vor. Insbesondere ist es dabeigeblieben, dass im Vorfeld der Wahl eine gerichtliche Kontrolle nicht statthaft ist. Vielmehr sind hier die Entscheidungen des Dekanatssynodalvorstandes „endgültig“ (vgl. §§ 4 Abs. 5 Satz 2, 12 Abs. 3 KGWO). Dies bedeutet, dass damit eine Anrufung des Kirchengerichts ausgeschlossen worden ist (KVVG, Beschluss vom 05.09.2003 – II 5-7/03 –, Amtl. Sammlg. Nr. 128 m. W. N.). Der Antragsteller kann deshalb die von ihm behaupteten Wahlrechtsverstöße, worauf er von dem Vorsitzenden mit Verfügung vom 04.05.2021 erneut hingewiesen worden ist, allein im Verfahren der nachträglichen Wahlprüfung einer gerichtlichen Überprüfung zuführen.
Die kirchliche Rechtslage entspricht damit dem im staatlichen Recht in Wahlangelegenheiten geltenden Grundsatz der Exklusivität des Wahlprüfungsverfahrens. Danach können Entscheidungen und Maßnahmen, die sich unmittelbar auf das Wahlverfahren beziehen, zur Vermeidung einer Beeinträchtigung des reibungslosen Wahlablaufs nur mit den in den Wahlvorschriften vorgesehenen Rechtsbehelfen und nur im Wahlprüfungsverfahren angefochten werden (st. Rspr., vgl. BVerfG, Urteil vom 15.04.2019 – 2 BvQ 22/19 –, Rdn. 29 ff. m. w. N., BVerfGE 151, 152; Beschluss vom 11.09.2018, – 2 BvQ 80/18 –, Rdn. 9, BVerfGE 149, 378; Hess. VGH, Beschluss vom 22.09.2017 – 8 B 1916/17 –, Rdn. 12, Landesrechtsprechungsdatenbank, für Kommunalwahlen). Soweit in der verwaltungsgerichtlichen Judikatur vereinzelt vertreten wird, einstweiliger Rechtsschutz im Vorfeld einer Wahl komme ausnahmsweise dann in Betracht, wenn bei summarischer Prüfung bereits vor der Wahl festgestellt werden könne, dass das Wahlverfahren an einem offensichtlichen Fehler leide, der in einem Wahlprüfungsverfahren zur Erklärung der Ungültigkeit der Wahl führen werde (so etwa OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 30.04.2014 – 10 B 10415/14 –, Rdn. 3, AS RP-SL 42, 308; vgl. auch VerfGH Sachsen, U. v. 25.07.2019 – Vf. 76-IV-19, 81-IV-19 –), folgt das Gericht dem nicht. Anders als Art. 19 Abs. 4 GG garantiert Art. 63 Kirchenordnung keinen umfassenden und lückenlosen kirchengerichtlichen Rechtsschutz (KVVG, Beschluss vom 05.09.2003 – II 5-7/03 –, Amtl. Sammlg. Nr. 128). Es liegt deshalb allein bei dem kirchlichen Gesetzgeber, Rechtsschutz bei Kirchenvorstandswahlen vorzusehen (vgl. § 16 Nr. 3 VwGG.EKD) und seine Ausgestaltung im Einzelnen zu regeln.
Für das Verfahren werden Gebühren und Auslagen nicht erhoben (§ 36 Satz 1 KVVG). Als unterliegender Teil hat der Antragsteller die außergerichtlichen Kosten zu tragen (§§ 38 KVVG, 154 Abs. 1 VwGO).