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Geltungszeitraum von: 01.01.2012

Geltungszeitraum bis: 31.12.2015

Kirchengesetz
zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern (Chancengleichheitsgesetz – ChGlG)

Vom 24. November 2011

(ABl. 2012 S. 13)

Die Kirchensynode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau hat das folgende Kirchengesetz beschlossen:
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Abschnitt 1. Allgemeines

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§ 1
Ziel des Kirchengesetzes

( 1 ) Ziel dieses Kirchengesetzes ist die Chancengleichheit von Frauen und Männern als Teil des Auftrags zur Gestaltung von Kirche.
( 2 ) Die Chancengleichheit von Frauen und Männern ist Gemeinschaftsaufgabe und durchgängiges Leitprinzip bei allen Entscheidungen und in allen Aufgabenbereichen der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Der Grundsatz der Chancengleichheit ist bei der Besetzung kirchlicher Stellen, Ämter und Gremien zu berücksichtigen.
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§ 2
Benachteiligungsverbot

Frauen und Männer dürfen wegen ihres Geschlechts oder ihres Familienstandes nicht benachteiligt werden. Eine Benachteiligung liegt auch vor, wenn eine Regelung oder Maßnahme sich bei geschlechtsneutraler Fassung auf ein Geschlecht seltener vorteilhaft oder häufiger nachteilig auswirkt als auf das andere, ohne dass dies durch zwingende Gründe gerechtfertigt ist. Besondere Maßnahmen zur Förderung von Frauen oder Männern mit dem Ziel, tatsächlich bestehende Ungleichheiten zu beseitigen, bleiben hiervon unberührt.
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§ 3
Geltungsbereich

Dieses Kirchengesetz gilt für die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau, ihre Dekanate, Kirchengemeinden und kirchlichen Verbände. Rechtsträger diakonischer, missionarischer und sonstiger kirchlicher Einrichtungen im Kirchengebiet der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, die nicht der Gesetzgebung der Kirchensynode unterliegen, können dieses Kirchengesetz aufgrund von Beschlüssen der hierfür zuständigen Gremien anwenden.
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§ 4
Begriffsbestimmungen

( 1 ) Dienststellen im Sinne dieses Kirchengesetzes sind die Kirchengemeinden, Dekanate, kirchlichen Verbände und alle übrigen rechtlich selbständigen Anstellungsträger. Als Dienststellen gelten auch rechtlich nicht selbständige Verwaltungsstellen, Ämter und Einrichtungen, wenn sie eine organisatorische Einheit bilden und eigenständig geleitet werden.
( 2 ) Für die Pfarrerinnen, Pfarrer, Pfarrvikarinnen, Pfarrvikare, Vikarinnen und Vikare gilt die Gesamtkirche als Dienststelle im Sinne dieses Kirchengesetzes; die Kirchenleitung gilt als ihre Dienststellenleitung.
( 3 ) Beschäftigte im Sinne dieses Kirchengesetzes sind Pfarrerinnen und Pfarrer, Pfarrvikarinnen und Pfarrvikare, Vikarinnen und Vikare, Kirchenbeamtinnen und Kirchenbeamte, Angestellte, Arbeiterinnen und Arbeiter, Vorpraktikantinnen und Vorpraktikanten, Praktikantinnen und Praktikanten und Auszubildende.
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Abschnitt 2. Strukturelle Chancengleichheit

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§ 5
Strukturelle Chancengleichheit

Arbeit für Chancengleichheit zielt darauf ab, in allen Bereichen der Kirche die Verschiedenheit der Lebensverhältnisse von Frauen und Männern sichtbar zu machen und die daraus resultierenden Erkenntnisse zur Förderung der tatsächlichen Chancengleichheit zu nutzen. Im Rahmen des kirchlichen Auftrags wirkt sie auf die Beseitigung bestehender und die Verhinderung künftiger Nachteile hin.
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Abschnitt 3. Chancengleichheit im Beruf

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§ 6
Chancengleichheit im Beruf

Die Dienststellenleitungen sind verpflichtet, durch gezielte berufliche Fördermaßnahmen Benachteiligungen wegen des Geschlechts zu beseitigen, auf gleiche Teilhabe von Frauen und Männern hinzuwirken sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen.
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§ 7
Beseitigung von Unterrepräsentanz

( 1 ) Die Dienststellenleitungen wirken insbesondere im Rahmen der Personalplanung und der Arbeitsorganisation auf die Beseitigung von Unterrepräsentanz hin.
( 2 ) Unterrepräsentanz liegt vor, wenn in einer Berufsgruppe, einem Verantwortungs- oder Leitungsbereich einer Dienststelle in den jeweiligen Besoldungs- oder Entgeltgruppen deutlich weniger Angehörige des einen als des anderen Geschlechts beschäftigt sind. In der Regel sind deutlich weniger Angehörige eines Geschlechts beschäftigt, wenn diesem Geschlecht in der Vergleichsgruppe gemäß Satz 1 40 Prozent oder weniger angehören.
( 3 ) Die Dienststellenleitung führt eine nach Geschlechtern aufgeschlüsselte Bewerbungs- und Einstellungsstatistik und überprüft alle zwei Jahre die Beschäftigungsstruktur. Die Bestandsaufnahme soll die Aufteilung der Beschäftigten gegliedert nach Geschlecht, Umfang der Tätigkeit und Besoldungs- und Vergütungsgruppen enthalten.
( 4 ) Liegt Unterrepräsentanz vor, sind die Ursachen festzustellen und Maßnahmen zur Beseitigung zu beraten und zu ergreifen.
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§ 8
Ausschreibungen bei Unterrepräsentanz

( 1 ) In Bereichen, in denen Unterrepräsentanz vorliegt, sind zu besetzende Personalstellen auszuschreiben. Die Ausschreibung muss einen Hinweis auf die Unterrepräsentanz enthalten.
( 2 ) In Ausnahmefällen kann mit Zustimmung des Stabsbereichs Chancengleichheit (§ 14) von der Ausschreibung abgesehen werden.
( 3 ) Liegen nach der ersten Ausschreibung keine Bewerbungen von Personen des unterrepräsentierten Geschlechts vor, die die Voraussetzungen für die Besetzung nachweisen, ist der Stabsbereich Chancengleichheit zu unterrichten. Dieser kann innerhalb einer Frist von 14 Tagen eine Wiederholung der Ausschreibung verlangen.
( 4 ) Bei einer ausreichenden Zahl von Bewerbungen sollen ebenso viele Frauen wie Männer mit vergleichbarer Qualifikation zu Vorstellungsgesprächen eingeladen werden.
( 5 ) Die Absätze 1 bis 4 finden keine Anwendung bei der Besetzung von parochialen Pfarr- und Pfarrvikarstellen sowie bei Stellen, die mit einer solchen Stelle verknüpft sind.
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§ 9
Auswahlkommissionen

Werden bei der Besetzung von Stellen Auswahlkommissionen gebildet, sollen Frauen und Männer in gleicher Zahl vertreten sein.
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§ 10
Auswahlentscheidungen

Bei der Anstellung, Einstellung, Beförderung und Übertragung einer Tätigkeit ist bei gleicher Qualifikation für die geforderte Tätigkeit die Bewerbung aus der Gruppe vorrangig zu berücksichtigen, die unterrepräsentiert ist.
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§ 11
Fort- und Weiterbildung

( 1 ) Durch gezielte Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen soll der Aufstieg von Frauen und Männern in Tätigkeitsbereiche ermöglicht werden, in denen ihr Geschlecht unterrepräsentiert ist.
( 2 ) Das Angebot von Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen orientiert sich dabei soweit als möglich an der Situation von Beschäftigten in Teilzeit und mit Familienpflichten. Unvermeidliche Kosten, die dabei für die Betreuung von Kindern unter zwölf Jahren oder von nach ärztlichem Zeugnis pflegebedürftigen Angehörigen entstehen, sollen nach Maßgabe der zur Verfügung stehenden Mittel bezuschusst werden.
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§ 12
Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie

( 1 ) Die Dienststellenleitungen haben im Rahmen der dienstlichen Möglichkeiten familiengerechte Arbeitszeiten und Teilzeitbeschäftigungen, auch für Leitungsämter, anzubieten. Für Beschäftigte mit Familienpflichten sind insbesondere Telearbeitsplätze oder besondere Arbeitszeitmodelle (z. B. Sabbatjahr, Arbeitszeitkonten) zu prüfen.
( 2 ) Die Dienststellenleitungen entwickeln und ergreifen weitere Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
( 3 ) Teilzeitbeschäftigten sind die gleichen beruflichen Aufstiegs-, Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten einzuräumen wie Vollbeschäftigten.
( 4 ) Die Dienststellenleitung hat durch geeignete Maßnahmen den Wiedereinstieg in den Beruf zu erleichtern. Beurlaubte Beschäftigte werden regelmäßig über das Fortbildungsprogramm unterrichtet und über die Möglichkeit zur Teilnahme informiert. Zwei Monate vor Ablauf der Beurlaubung findet ein Beratungsgespräch zum Wiedereinstieg statt. Maßnahmen in diesem Zusammenhang sollen nach dem Wiedereinstieg mit bis zu sieben Tagen als Arbeitszeit angerechnet werden.
( 5 ) Vor Ablehnung von Anträgen auf flexible Arbeitszeit, Teilzeitbeschäftigung und Beurlaubung ist der Stabsbereich Chancengleichheit von der Dienststellenleitung anzuhören.
( 6 ) Bei Pfarrerinnen, Pfarrern, Pfarrvikarinnen und Pfarrvikaren gelten anstelle der Absätze 1 bis 5 die §§ 17a bis 17f des Pfarrdienstgesetzes.
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§ 13
Sexuelle Belästigung als Dienstvergehen

( 1 ) Die Dienststellenleitungen sind verpflichtet, sexuellen Belästigungen durch Aufklärung vorzubeugen und bekannt gewordene sexuelle Belästigungen als Dienstvergehen zu verfolgen. Betroffene sind berechtigt, dem Stabsbereich Chancengleichheit den Vorfall mitzuteilen und sich über die Verhinderung weiterer Vorfälle und notwendige Konsequenzen von ihm beraten zu lassen. Vorgesetzte sind verpflichtet, bekannt gewordene sexuelle Belästigungen der Dienststellenleitung zu melden, soweit die Betroffenen hiermit einverstanden sind.
( 2 ) Sexuelle Belästigungen sind unerwünschte sexuelle Annäherungsversuche, unerwünschter Körperkontakt sowie sexuell abfällige oder abwertende Bemerkungen, Gesten oder Darstellungen, die von der betroffenen Person als beleidigend, erniedrigend oder belästigend empfunden werden.
( 3 ) Beschwerden über sexuelle Belästigung dürfen nicht zur Benachteiligung der belästigten Person führen.
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Abschnitt 4. Stabsbereich Chancengleichheit

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§ 14
Stabsbereich Chancengleichheit

( 1 ) Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau richtet in der Kirchenverwaltung einen Stabsbereich Chancengleichheit ein.
( 2 ) Die Referentinnen und Referenten des Stabsbereichs Chancengleichheit werden von der Kirchenleitung im Benehmen mit der Gesamtmitarbeitervertretung, dem Pfarrerausschuss und der Dienstrechtlichen Kommission berufen.
( 3 ) Die Berufung erfolgt aufgrund einer Ausschreibung unter den Beschäftigten der EKHN, ihrer Dekanate, Kirchengemeinden und Verbände jeweils für die Dauer von vier Jahren. Die Referentinnen und Referenten werden für die Dauer der Berufung von ihrer Dienststelle freigestellt. Die Kosten für die Vertretungskraft werden von der Gesamtkirche auf Nachweis erstattet.
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§ 15
Dienstliche Stellung

( 1 ) Die Referentinnen und Referenten des Stabsbereichs Chancengleichheit dürfen in der Ausübung des Amtes nicht behindert und wegen der Tätigkeit weder benachteiligt noch begünstigt werden. Sie sind von fachlichen Weisungen frei. Vor Kündigung, Versetzung und Abordnung sind sie in gleichem Umfang geschützt wie die Mitglieder der Mitarbeitervertretung.
( 2 ) Die Referentinnen oder Referenten des Stabsbereichs Chancengleichheit sind zur Verschwiegenheit verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht bei Einwilligung der Beschäftigten nicht gegenüber der Dienststellenleitung.
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§ 16
Aufgaben des Stabsbereichs

( 1 ) Der Stabsbereich Chancengleichheit unterstützt die Dienststellenleitungen bei der Verwirklichung der strukturellen und beruflichen Chancengleichheit. Er entwickelt Strukturen und Maßnahmen zur Umsetzung und regt Maßnahmen zur Verwirklichung von Chancengleichheit an. Er wird an der Beratung und Durchführung beteiligt.
( 2 ) Bei Stellenausschreibungen ist der Stabsbereich Chancengleichheit gemäß § 8 Absatz 2 und 3 zu beteiligen. Er ist berechtigt, am Auswahlverfahren und an Vorstellungsgesprächen teilzunehmen und Einsicht in sämtliche Bewerbungsunterlagen zu nehmen.
( 3 ) Der Stabsbereich berät und unterstützt Beschäftigte, die im Beruf wegen ihres Geschlechts benachteiligt sind.
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§ 17
Beteiligung des Stabsbereichs

( 1 ) Der Stabsbereich Chancengleichheit ist bei allen gesamtkirchlichen Vorhaben, die Auswirkungen auf die Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Kirche haben, zu beteiligen. Die Beteiligung erfolgt bereits in der Planungsphase und reicht über die Folgenabschätzung bis zur Entscheidungsfindung.
( 2 ) Der Stabsbereich hat ein unmittelbares Vorlage- und Vortragsrecht bei der Kirchenleitung und kann Gesetzesinitiativen oder andere Maßnahmen anregen.
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§ 18
Widerspruchsrecht

Ist der Stabsbereich Chancengleichheit der Auffassung, dass Maßnahmen oder ihre Unterlassung gegen dieses Gesetz oder andere Vorschriften zur Förderung der Gemeinschaft zwischen Frauen und Männern verstoßen, kann er innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Kenntnis bei der Dienststellenleitung widersprechen. Diese entscheidet nach gemeinsamer Beratung mit dem Stabsbereich Chancengleichheit erneut über den Vorgang. Auf Verlangen einer Seite erfolgt die Beratung unter Hinzuziehung des Instituts für Personalberatung, Organisationsentwicklung und Supervision. Die Dienststellenleitung hat die getroffene Entscheidung gegenüber dem Stabsbereich Chancengleichheit schriftlich zu begründen.
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§ 19
Bericht an die Kirchensynode

Im Auftrag der Kirchenleitung berichtet der Stabsbereich Chancengleichheit der Kirchensynode alle zwei Jahre über den Stand der Arbeit für Chancengleichheit in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau.
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§ 20
Zusammenarbeit

Der Stabsbereich Chancengleichheit arbeitet mit vergleichbaren Stellen in der Evangelischen Kirche in Deutschland sowie auf staatlicher und kommunaler Ebene zusammen.
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Abschnitt 5. Schlussbestimmungen

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§ 21
Ausführungsbestimmungen

Die Kirchenleitung kann zur Ausführung dieses Kirchengesetzes Rechtsverordnungen erlassen.
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§ 22
Überprüfung

Vier Jahre nach dem Inkrafttreten wird die Kirchenleitung der Kirchensynode einen Bericht über die Umsetzung und Auswirkungen erstatten.
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§ 23
Übergangsregelung

Die bei Inkrafttreten dieses Kirchengesetzes bestellten Referentinnen und Referenten im Stabsbereich Gleichstellung und die Gleichstellungsbeauftragten in den Regionen bleiben bis zum Auslaufen der Beauftragung im Amt. Die Gleichstellungsbeauftragten in den Regionen unterstützen den Stabsbereich Chancengleichheit bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben.
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§ 24
Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Dieses Kirchengesetz tritt am 1. Januar 2012 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Gleichstellungsgesetz vom 24. November 2005 (ABl. 2006 S. 2) außer Kraft.

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1 ↑ Die Inhaltsübersicht ist nicht Bestandteil des Kirchengesetzes.