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Kirchengericht:Kirchliches Verfassungs- und Verwaltungsgericht der EKHN
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:15.09.1994
Aktenzeichen:KVVG II 7/94
Rechtsgrundlage:§§ 35a,38,39,40 PfG; §§ 3,17,18,20-22,30,31 KVVG; §§ 80,101,113 VwGO
Vorinstanzen:
Schlagworte:, Aussetzung der sofortigen Vollziehung, Ungedeihlichkeit, Unversetzbarkeit, Versetzung, Versetzungsnotwendigkeit, Wartestand
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Leitsatz:

1. Über einen Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 KVVG kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden.
2. § 39 PfG in der Fassung des Kirchengesetzes zur Änderung des Pfarrergesetzes vom 24.04.1994 (ABl. EKHN S. 98 ff.) ist auf nach dem 01.07.1994 ausgesprochene Wartestandsversetzungen auch dann anzuwenden, wenn das vorausgehende Ungedeihlichkeitsverfahren nach altem Recht durchgeführt worden ist. Die allgemeinen Grundsätze des intertemporalen Rechts gebieten nicht die Heranziehung des bisherigen Rechts.
3. § 39 PfG weist die Entscheidung über die Wartestandsversetzung eines Pfarrers allein der Kirchenleitung zu. Sie hat deshalb das Vorliegen aller gesetzlichen Voraussetzungen selbst festzustellen und darf dies nicht der Kirchenverwaltung überlassen.
4. Zum Rechtscharakter der Feststellung der Versetzungsnotwendigkeit gemäß § 38 Abs. 1 PfG n.F.

Tenor:

1. Die sofortige Vollziehung der mit Bescheid der Kirchenverwaltung vom 22.08.1994 ausgesprochenen Versetzung des Antragstellers in den Wartestand – beruhend auf dem Beschluss der Kirchenleitung vom 12.07.1994 – wird ausgesetzt.
2. Für das Verfahren werden Gebühren und Auslagen nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers hat die Antragsgegnerin zu tragen.
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Gründe I:

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehung seiner mit Bescheid der Kirchenverwaltung vom 22.08.1994 ausgesprochenen Versetzung in den Wartestand.
Der Antragsteller ist seit 01.06.1980 Inhaber einer Pfarrstelle in der A-Gemeinde in A-Stadt. Im Sommer 1993 trat der Kirchenvorstand der Gemeinde an den Antragsteller mit der Bitte heran, sich einen neuen Wirkungskreis zu suchen. Der Kirchenvorstand war der Auffassung, dass der Antragsteller außer der Altenarbeit, die in der Gemeinde kein ausreichendes Tätigkeitsfeld biete, wichtige Bereiche vernachlässige, z. B. den Konfirmanden- und Religionsunterricht. Er nehme den Kirchenvorstand in seiner Funktion nicht ernst; auch lasse das Verhältnis zu den Kollegen zu wünschen übrig. Nachdem in Gesprächen mit der Gemeindeberatung keine Lösung des Konflikts erzielt werden konnte, bat der Kirchenvorstand durch Beschluss vom 11.10.1993, der mit sieben Ja- und drei Neinstimmen bei einer Enthaltung gefasst wurde, die Kirchenleitung, ein Ungedeihlichkeitsverfahren gegen den Antragsteller zu eröffnen. Von den 15 gewählten Kirchenvorstehern befürworten gegenwärtig neun eine Versetzung des Antragsteller, drei sind dagegen und drei enthalten sich der Stimme. Zahlreiche Gemeindeglieder, vor allem aus dem Seniorenclub, haben während des Verfahrens in Briefen an die Kirchenleitung um einen Verbleib des Antragstellers gebeten.
Auf ihrer Sitzung am 02.11.1993 beschloss die Kirchenleitung, gegen den Antragsteller ein Verfahren zur Versetzung gemäß § 35a Abs. 1 lit. c PfG a.F. einzuleiten. In dem Schreiben der Kirchenverwaltung vom 09.11.1993 wird zur Begründung auf die Beanstandungen des Kirchenvorstandes Bezug genommen.
Am 23.11.1993 wurde der Kirchenvorstand der A-Gemeinde auf einer außerordentlichen Sitzung von der zuständigen theologischen Referentin und dem zuständigen juristischen Referenten der Kirchenverwaltung angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf den Vermerk der Kirchenverwaltung vom 01.12.1993 verwiesen. Auf ihrer Sitzung am 14.12.1993 hörte die Kirchenleitung den Antragsteller an und beschloss, zunächst das Votum des Pfarrerausschusses abzuwarten. Der Pfarrerausschuss teilte der Kirchenleitung nach Anhörung des Antragsteller mit Schreiben vom 07.02.1994 mit, dass er die vorliegenden Probleme sehe, aber ausreichende Gründe für eine Versetzung nicht vorlägen. Am 16.03.1994 wurde der Antragsteller von der Kirchenverwaltung angehört.
Am 24.04.1994 beschloss die Kirchensynode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau eine Änderung verschiedener Bestimmungen des VI. Abschnitts des Pfarrergesetzes über die Unversetzbarkeit und Versetzung. Das Gesetz wurde im Mai 1994 verkündet und trat am 01.07.1994 in Kraft.
Bereits am 03.05.1994 stellte die Kirchenleitung fest, dass eine Versetzung des Antragstellers notwendig sei. Sie forderte ihn gleichzeitig auf, sich innerhalb von sechs Wochen um eine andere Pfarrstelle zu bewerben oder innerhalb dieser Frist einen anderen von der Kirchenleitung erteilten Dienstauftrag zu übernehmen.
Mit Schreiben vom 04.05.1994, das dem Antragsteller am 07.05.1994 zugestellt wurde, teilte die Kirchenleitung dem Antragsteller den Beschluss mit und führte zur Begründung aus, dass nach dem Ergebnis des Versetzungsverfahrens von dem Antragsteller eine gedeihliche Amtsführung in der A-Gemeinde nicht mehr zu erwarten sei. Durch den Beschluss des Kirchenvorstandes vom 11.10.1993, mit dem dieser um die Einleitung eines Versetzungsverfahren gebeten habe, sei zum Ausdruck gebracht worden, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Antragsteller nicht mehr möglich sei. Die Anhörung des Kirchenvorstandes am 23.11.1993 habe bestätigt, dass die Mehrheit des Kirchenvorstandes eine weitere Zusammenarbeit mit dem Antragsteller nicht mehr für möglich halte. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid Bezug genommen.
In der Folgezeit bewarb sich der Antragsteller um eine andere Pfarrstelle. Über die Bewerbung ist noch nicht entschieden. Am 12.07.1994 beschloss die Kirchenleitung, den Antragsteller mit Wirkung vom 15.08.1994 in den Wartestand zu versetzen, falls nicht bis zum 06.08.1994 eine anderweitige Verwendung zustande komme. Gleichzeitig ordnete sie die sofortige Vollziehung der Wartestandsversetzung an. Mit Schreiben vom 14.07.1994 eröffnete die Kirchenverwaltung dies dem Antragsteller.
Mit Bescheid vom 22.08.1994 teilte die Kirchenverwaltung dem Antragsteller mit, er werde, da er bisher keinen neuen Dienstauftrag erhalten habe, nunmehr mit Wirkung vom 01.09.1994 in den Wartestand versetzt. Gemäß dem Beschluss der Kirchenleitung vom 12.07.1994 werde ferner die sofortige Vollziehung der Versetzung in den Wartestand angeordnet.
Die Wartestandsversetzung beruhe auf § 39 Abs. 1 Nr. 3 PfG n.F. Danach sei die Versetzung in den Wartestand u.a. für den Fall vorgeschrieben, dass innerhalb von drei Monaten seit der Bewerbungsaufforderung gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 PfG n.F. eine anderweitige Verwendung nicht zustande komme. Dies sei hier der Fall. Zwar sei das Änderungsgesetz erst zum 01.07.1994 in Kraft getreten. Die Kirchenleitung habe jedoch schon vor diesem Zeitpunkt eine der Neuregelung entsprechende Aufforderung beschließen dürfen, da hierdurch der dienstrechtliche Status des Antragstellers nicht verändert worden sei.
Der Beschluss der Kirchenleitung vom 03.05.1994 sei auch erforderlich gewesen, weil nach dem Ergebnis des Versetzungsverfahrens eine gedeihliche Amtsführung des Antragstellers in der A-Gemeinde nicht mehr zu erwarten sei. Im übrigen wiederholte die Kirchenverwaltung im wesentlichen die Begründung aus ihrem Schreiben vom 04.05.1994. Wegen der Einzelheiten sowie der Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung wird auf das Schreiben der Kirchenverwaltung vom 22.08.1994 Bezug genommen.
Der Antragsteller hat am 01.09.1994 Klage gegen die Bescheide der Kirchenverwal-tung vom 09.11.1993, 04.05.1994, 14.07.1994 und 22.08.1994 erhoben und am 02.09.1994 wegen des angeordneten Sofortvollzugs um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht.
Der Antragsteller ist der Auffassung, die Wartestandsversetzung sei aus formellen und materiellen Gründen rechtswidrig. Zudem längen auch nicht die Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung vor, die überdies nicht hinreichend begründet sei. Wegen der Einzelheiten wird auf die Antragsschrift Bezug genommen.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die sofortige Vollziehung der mit Bescheid der Kirchenverwaltung vom 22.08.1994 ausgesprochenen Versetzung des Antragstellers in den Wartestand – beruhend auf dem Beschluss der Kirchenleitung vom 12.07.1994 – auszusetzen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angegriffene Maßnahme. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 07.09.1994 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Personalakten des Antragstellers (1 unfoliierter Band und ein unfoliierter Hefter).
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Gründe II:

II.
Das Gericht kann über den Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Da die Entscheidung des Gerichts durch Beschluss erfolgt (§§ 38 KVVG, 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO), ist eine mündliche Verhandlung nicht zwingend (§§ 38 KVVG, 101 Abs. 3 VwGO). Das Kirchengesetz über das Kirchliche Verfassungs- und Verwaltungsgericht bestimmt nichts anderes. Zwar ist dort eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ausdrücklich nur für den Fall vorgesehen, dass der Vorsitzende einen rechtlich unzulässigen oder offensichtlich unbegründeten Antrag durch einen mit Gründen versehenen Bescheid zurückweist (§ 17 Abs. 1 KVVG) oder die Beteiligten ihr Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt haben (§31 KVVG). Im übrigen geht das Gesetz davon aus, dass der Vorsitzende nach Zustellung der Antragsschrift und Eingang der Gegenerklärung oder nach fruchtlosem Ablauf der hierfür gesetzten Frist den Termin der mündlichen Verhandlung bestimmt (§§ 21 Abs. 1, 22 Abs. 1 KVVG).
Hieraus ist indes eine Verpflichtung zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung auch im Aussetzungsverfahren nicht zu entnehmen. Zwar scheint der Begriff Antragsschrift eine Erstreckung auf andere als Klageverfahren nahezulegen. Doch ist nach den Regelungen des Kirchengesetzes über das Kirchliche Verfassungs- und Verwaltungsgericht mit Antrag in erster Linie das Klageverfahren gemeint (vgl. §§ 3 Abs. 1, 18, 30 Abs. 2 KVVG). Eine Erstreckung auf das Aussetzungsverfahren verbietet sich zudem im Hinblick auf die Zwecksetzung dieses Rechtsbehelfs, in einem auf effektive Rechtsschutzgewährung ausgerichteten Verfahren auch vorläufige Rechtsnachteile einer gerichtlichen Überprüfung zuzuführen, um zu verhindern, dass vor Unanfechtbarkeit kirchenbehördlicher Maßnahmen ohne rechtliche Kontrollmöglichkeit vollende Tatsachen geschaffen werden. Mit dieser Zweckrichtung des Aussetzungsverfahrens ist das schwerfällige Verfahren der mündlichen Verhandlung in der Regel nicht zu vereinbaren. Zwar kann in dringenden Aussetzungsfällen der Vorsitzende allein entscheiden (§ 20 Abs. 3 KVVG). Hiermit soll indes nur dem Fall vorgebeugt werden, dass die Rechtsschutzgewährung derart eilbedürftig ist, dass ein Zusammentreten der Kammer zur Beschlussfassung nicht in Betracht kommt; keinesfalls soll diese Möglichkeit im Hinblick auf die meist mit einer mündlichen Verhandlung verbundene Zeitverzögerung die regelmäßige Entscheidungsform im Aussetzungsverfahren darstellen. Vielmehr ist im kirchlichen Aussetzungsverfahren ebenso wie im staatlichen Verfahrensrecht die Durchführung einer mündlichen Verhandlung dem Ermessen des Gerichts überlassen.
Der statthafte und auch im übrigen zulässige Antrag ist begründet. Die sofortige Vollziehung der mit Bescheid der Kirchenverwaltung vom 22.08.1994 ausgesprochenen Versetzung des Antragstellers in den Wartestand ist auszusetzen (§ 20 Abs. 2 Satz 1 KVVG), da der Bescheid offensichtlich rechtswidrig ist und an seiner sofortigen Vollziehung deshalb kein besonderes kirchliches Interesse bestehen kann (vgl. KVVG, Beschluss vom 01.02.1991 – II 12/1990 -, Amtl. Sammlg. Nr. 82).
Die Rechtmäßigkeit der Wartestandsversetzung beurteilt sich nach § 39 Abs. 1 Nr. 3 PfG in der Fassung des Kirchengesetzes zur Änderung des Pfarrergesetzes vom 24.04.1994 (ABl. S. 98 ff.). Nach dieser Vorschrift versetzt die Kirchenleitung den Pfarrer in den Wartestand, wenn er es ablehnt, einer Aufforderung nach § 38 Abs. 1 Satz 1 PfG n.F. nachzukommen, oder eine anderweitige Verwendung innerhalb von drei Monaten nicht zustande kommt.
Die Neufassung der Bestimmung ist auf die mit Beschluss der Kirchenleitung vom 12.07.1994 bedingt angeordnete und mit Bescheid der Kirchenverwaltung vom 22.08.1994 ausgesprochene Wartestandsversetzung des Antragstellers anwendbar. Sie ist gemäß Art. IV des Änderungsgesetzes am 01.07.1994 in Kraft getreten und gilt mangels entgegenstehender Übergangsregelungen auch für das vorliegende, bereits vor Verabschiedung des Gesetzes eingeleitete Ungedeihlichkeitsverfahren. Eine Wartestandsversetzung nach § 39 PfG a.F. ist seit dem 01.07.1994 nicht mehr möglich.
Etwas anderes folgt nicht aus den allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen Rechts. Danach ist bei Eingriffen in wesentliche Rechtspositionen, die nach den Regeln über die echte oder unechte Rückwirkung von Gesetzen ohne angemessene Übergangsbestimmung nicht zulässig wären, im Zweifel anzunehmen, dass kraft ungeschriebenen Überleitungsrechts das bisherige Recht anwendbar bleibt (vgl. dazu Kopp, VwGO, 9. Auflage 1992, § 113 RdNr. 98 f.). Ein derartiger Eingriff in wesentliche Rechtspositionen des Pfarrers ist mit der Neufassung der Bestimmungen über die Unversetzbarkeit und Versetzung nämlich nicht verbunden. Sie hat im Gegenteil bei einer Gesamtbetrachtung zu einer nicht unerheblichen Stärkung der verfahrensrechtlichen Stellung des Pfarrers und materiellrechtlich zu keiner wesentlichen Änderung geführt. Eine Stärkung der verfahrensrechtlichen Position des Pfarrers ist in zweifacher Hinsicht vorgenommen worden. Zum einen ist das vom Gericht in seinem Grundsatzurteil vom 09.08.1991 (- II 13/1990 -, Amtl. Sammlg. Nr. 83) aufgestellte Erfordernis, dass eine Beschlussfassung des Kirchenvorstandes über die ungedeihliche Amtsführung eines Pfarrers erst nach Konsultation aller zuständigen Stellen erfolgen darf, im einzelnen ausgestaltet, in einen geregelten Verfahrensgang gebracht und um ein Schlichtungsverfahren erweitert worden. Zum anderen ist die in § 35a Abs. 1 lit. c PfG a.F. enthaltene Versetzungsmöglichkeit in ein anderes Amt ohne Antrag oder Einwilligung des Pfarrers (vgl. dazu KVVG, Urteil vom 09.08.1991 II 13/1990 -, Amtl. Sammlg. Nr. 83; Beschluss vom 14.01.1991 – I 9/90 -, Amtl. Sammlg. Nr. 80; Urteil vom 26.01.1990 – II 7/1989 -, Amtl. Sammlg. Nr. 73) entfallen. Dass die Wartestandsversetzung gemäß § 39 Abs. 1 PfG n.F. im Unterschied zu § 39 Satz 1 PfG a.F. nicht als Ermessensentscheidung, sondern als strikte Regelung ausgestaltet ist, beinhaltet demgegenüber keine rechtliche Schlechterstellung. Auch § 39 Satz 1 PfG a.F. intendierte bei vorliegen seiner tatbestandlichen Voraussetzungen grundsätzlich die dort genannten Rechtsfolgen (KVVG, Urteil vom 09.08.1991 II 13/1990 -, Amtl. Sammlg. Nr. 83).
Die zeitliche Begrenzung für die Prüfung einer anderweitigen Verwendungsmöglichkeit (§ 39 Abs. 1 Nr. 3 PfG n.F.) ist zwar bei isolierter Betrachtung als Verschlechterung der Rechtsposition des Pfarrers anzusehen, da die Prüfung der Durchführbarkeit einer Versetzung nach § 39 Satz 1 PfG a.F. zeitlich nicht beschränkt war. Im Gesamtzusammenhang der Regelung stellt sie indessen nur einen Ausgleich für den Umstand dar, dass die Möglichkeit einer Versetzung ohne Antrag oder Zustimmung des Pfarrers entfallen ist.
Die Wartestandsversetzung des Antragstellers gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 3 PfG n.F. ist offensichtlich rechtswidrig, da es an einer ordnungsgemäßen Beschlussfassung der Kirchenleitung über die Wartestandsversetzung fehlt. Dem Bescheid der Kirchenverwaltung vom 22.08.1994 ermangelt es an einem korrespondierenden Beschluss der Kirchenleitung. Der Beschluss der Kirchenleitung vom 12.07.1994 ist hierfür nicht ausreichend.
Das Gericht geht allerdings mit der Antragsgegnerin davon aus, dass es sich bei dem Beschluss vom 12.07.1994 nicht um eine bloße Absichtserklärung, sondern um eine verbindliche Willensäußerung der Kirchenleitung handelt. Die insoweit von dem Antragsteller vorgebrachten Zweifel macht sich die Kammer nicht zu eigen. Unerheblich ist auch, dass der Beschluss der Kirchenleitung dahin geht, den Antragsteller zum 15.08.1994 in den Wartestand zu versetzen, die Kirchenverwaltung aber die Versetzung zum 01.09.1994 ausgesprochen hat, da der Antragsteller durch die im Hinblick auf § 40 Abs. 3 Satz 1 PfG erfolgte Korrektur nicht beschwert ist.
Der Beschluss vom 12.07.1994 stellt aber deshalb keine hinreichende Grundlage für die Wartestandsversetzung des Antragstellers dar, da er entgegen dem Wortlaut der Regelung des § 39 Abs. 1 Nr. 3 PfG n.F., der die Entscheidung über die Wartestandsversetzung eines Pfarrers allein der Kirchenleitung zuweist, die Feststellung materieller Voraussetzungen dieser Maßnahme der Kirchenverwaltung überlassen hat. Indem die Kirchenleitung in ihrem Beschluss vom 12.07.1994 die Wartestandsversetzung des Antragstellers unter der Bedingung ausgesprochen hat, dass eine anderweitige Verwendung des Antragstellers bis zum 06.08.1994 nicht zustande kommt, hat sie zwar gerade dafür Sorge tragen wollen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen der Wartestandsversetzung vorliegen (vgl. dazu § 36 Abs. 1 VwVfG für bestimmte Verwaltungsakte des staatlichen Rechts). Sie hat das Vorliegen dieser gesetzlichen Voraussetzungen aber nicht – wie dies erforderlich gewesen wäre – selbst festgestellt, sondern der Kirchenverwaltung überlassen.
Dies war nicht zulässig. Auch wenn der Eintritt der in § 39 Abs. 1 Nr. 3 PfG n.F. an-geführten Tatbestandsmerkmale regelmäßig zweifelsfrei wird festgestellt werden können, so entbindet dies die Kirchenleitung nicht, dies selbst zu tun. Die in § 39 Abs. 1 Nr. 3 PfG n.F. genannten Tatbestandsvoraussetzungen haben nämlich nicht lediglich formellen oder verfahrensrechtlichen Charakter; sie enthalten vielmehr auch materielle Feststellungselemente. Es ist keineswegs ausgeschlossen, dass über ihr Vorliegen Zweifel auftreten. Zu deren Klärung ist im Verwaltungsverfahren allein die Kirchenleitung berufen, die deshalb die Feststellung sämtlicher Tatbestandsvoraussetzungen des § 39 Abs. 1 Nr. 3 PfG n.F. vorzunehmen hat. Eine Wartestandsversetzung „auf Vorrat“, ohne dass die Kirchenleitung nach Ablauf der Frist des § 39 Abs. 1 Nr. 3 PfG n.F. erneut eingeschaltet wird, ist nicht zulässig. Die Kirchenverwaltung ist zwar helfendes und ausführendes Organ der Kirchenleitung und unterstützt diese bei der Vorbereitung und Durchführung ihrer Beschlüsse (§ 1 Abs. 1 Satz 1 und 2 KVG). Die Beschlussfassung über die Wartestandsversetzung und damit über das Vorliegen ihrer tatbestandlichen Voraussetzungen ist jedoch allein der Kirchenleitung vorbehalten.
Das Gericht hat zwar eine Wartestandsversetzung unter dem Vorbehalt, dass der Pfarrer die geforderte unwiderrufliche Erklärung seiner Bewerbungsbereitschaft nicht abgibt, unbeanstandet gelassen (KVVG, Urteil vom 26.01.1990 – II 7/89 -, Amtl. Sammlg. Nr. 73). Doch handelte es sich bei der erwähnten Erklärung nicht um ein gesetzliches Tatbestandsmerkmal der damals anzuwendenden Fassung des Pfar-rergesetzes. Vielmehr wäre die Versetzung in den Wartestand auch ohne diesen Zusatz zulässig gewesen. Die vorgenommene Modifikation konnte sie deshalb nicht unzulässig machen.
Da es bislang an einer Entscheidung der Kirchenleitung über das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der Wartestandsversetzung nach § 39 Abs. 1 Nr. 3 PfG n.F. fehlt, ist die mit Bescheid der Kirchenverwaltung vom 22.08.1994 ausgesprochene Wartestandsversetzung des Antragstellers rechtswidrig. Ihre sofortige Vollziehung ist deshalb auszusetzen.
Für das weitere Verfahren weist das Gericht darauf hin, dass erhebliche Bedenken bestehen, ob die Notwendigkeit der Versetzung des Antragstellers hinreichend begründet ist. Weder in dem Schreiben vom 04.05.1994, in dem diese Feststellung und die Aufforderung zur Bewerbung enthalten ist, noch in dem Bescheid vom 22.08.1994 finden sich Feststellungen zu der Frage, welche Beanstandungen des Kirchenvorstandes die Kirchenleitung für nachvollziehbar und einsichtig hält. Dies wäre nicht nur im Hinblick auf die Schwere des Eingriffs, sondern auch im Hinblick auf den Umstand angebracht gewesen, dass die Beschlussfassung im Kirchenvorstand über die Ungedeihlichkeit der Amtsführung des Antragstellers keineswegs einmütig erfolgt ist. Zwar hat das Gericht Einstimmigkeit nicht gefordert; sie ist auch in § 36b Abs. 4 Satz 2 PfG n.F. nicht vorgesehen. Auch braucht die Kirchenleitung nicht im einzelnen darzutun, ob die gegen den Pfarrer erhobenen Vorwürfe sämtlich zutreffend sind; doch bedeutet dies – wie die Kammer in ihrer Entscheidung vom 09.08.1991 (- II 13/90 -, Amtl. Sammlg. Nr. 83) ausgeführt hat – nicht, dass es überhaupt nicht darauf ankommt, ob die Auffassung des Kirchenvorstandes durch Tatsachen belegt ist. Die Ungedeihlichkeit darf vom Kirchenvorstand nämlich nicht treuwidrig herbeigeführt oder festgestellt worden sein. Insoweit hat nicht nur das Gericht, sondern auch die Kirchenleitung bei ihrer Entscheidung die Meinungsbildung des Kirchenvorstandes inzident einer Kontrolle zu unterziehen; das Ergebnis dieser Prüfung muss sich in der Begründung der dienstrechtlichen Maßnahme niederschlagen.
Diesen Anforderungen dürfte vorliegend weder das Schreiben vom 04.05.1994 noch der Bescheid vom 22.08.1994 gerecht werden. Das Schreiben vom 04.05.1994 nennt keinerlei überprüfbare Tatsachen. Der Bescheid vom 22.08.1994 führt zwar die Beanstandungen des Kirchenvorstandes auf, enthält aber keine Ausführungen zu der Frage, welche dieser Beanstandungen die Kirchenleitung für nachvollziehbar und einsichtig hält. Die Antragsgegnerin trägt allerdings in der Antragserwiderung vom 07.09.1994 vor, Anhaltspunkte für willkürliches und damit rechtsmissbräuchliches Handeln des Kirchenvorstandes bestünden nicht. Dies mag auch so sein. Doch wird dies nicht im einzelnen dargetan.
Die Rechtmäßigkeit der Feststellung über die Notwendigkeit der Versetzung des Antragstellers ist auch unter einem anderen Gesichtspunkt zweifelhaft. Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung der Kirchenleitung am 03.05.1994 war nämlich die hierfür erforderliche Ermächtigungsgrundlage noch nicht in Kraft getreten, so dass Bedenken bestehen, ob die Drei-Monats-Frist des § 39 Abs. 1 Nr. 3 PfG n.F. in Lauf gesetzt wurde.
Die Feststellung der Notwendigkeit der Versetzung dürfte sich nämlich entgegen der von der Antragsgegnerin im Verwaltungsverfahren offenbar vertretenen Meinung anders als etwa die Beschlussfassung des Kirchenvorstandes nach § 36b PfG n.F. oder die Verfahrenseinleitung durch die Kirchenleitung nach § 36c PfG n.F. – nicht als bloße Verfahrenshandlung darstellen, die nur zusammen mit der Sachentscheidung angegriffen werden kann (vgl. §§ 38 KVVG, 44a Satz 1 VwGO); vielmehr dürfte es sich hierbei um einen selbständigen kirchlichen Verwaltungsakt im Sinne von § 3 Abs. 2 KVVG handeln. Zwar wird durch die Feststellung der Versetzungsnotwendigkeit und die Aufforderung zur Bewerbung der Gesamtstatus des Pfarrers noch nicht berührt. Doch wird hierdurch für den Einzelfall verbindlich festgestellt, dass die grundsätzliche Unversetzbarkeit des Pfarrers (§ 35 Abs. 1 PfG n.F.) für die innegehabte Stelle nicht mehr gegeben ist (§ 35a Abs. 1 lit. b PfG n.F.). Als feststellender Verwaltungsakt dürfte es dem Beschluss vom 03.05.1994 zum Zeitpunkt der Beschlussfassung an der notwendigen Ermächtigungsgrundlage (vgl. dazu für das staatliche Recht BVerwGE 72, 265 [266]) gefehlt haben. § 38 Abs. 1 PfG n.F. ist ebenso wie die übrigen Vorschriften des Änderungsgesetzes erst am 01.07.1994 in Kraft getreten (Art. IV). Das Änderungsgesetz ist zum Zeitpunkt der Beschlussfassung der Kirchenleitung zwar bereits verabschiedet gewesen, doch hatte es förmliche Geltung noch nicht erlangt.
Im Hinblick darauf, dass somit nicht nur die Wartestandsversetzung selbst rechtswidrig ist, sondern auch die Feststellung der Versetzungsnotwendigkeit als Vorausset-zung einer Versetzung in den Wartestand gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 3 PfG n.F. erheblichen rechtlichen Bedenken ausgesetzt ist, regt die Kammer an, die Beschlüsse der Kirchenleitung vom 03.05.1994 und 12.07.1994 und die auf ihnen beruhenden Bescheide der Kirchenverwaltung aufzuheben und dem Verfahren mit einer erneuten Entscheidung nach § 38 PfG n.F. Fortgang zu geben. Unter Berücksichtigung der noch unter der Geltung der alten Fassung des Pfarrergesetzes ausgeschöpften Beratungs- und Gesprächsmöglichkeiten hält die Kammer die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens demgegenüber nicht für geboten.
Für das Verfahren werden Gebühren und Auslagen nicht erhoben (§ 36 Satz 1 KVVG). Als unterliegender Teil hat die Antragsgegnerin die außergerichtlichen Kosten zu tragen (§§ 38 KVVG, 154 Abs. 1 VwGO).