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Kirchengericht:Kirchliches Verfassungs- und Verwaltungsgericht der EKHN
Entscheidungsform:Bescheid (rechtskräftig)
Datum:19.04.1991
Aktenzeichen:KVVG I 1/91
Rechtsgrundlage:Art. 11 KO; §§ 12,21 KGWO; §§ 3,6,17 KVVG
Vorinstanzen:
Schlagworte:Gemeindeversammlung, Kandidatenliste, Kirchenvorstandswahl, Verwaltungsakt, Wahlbeeinflussung, Wahlvorschlag, Zurückweisungsbescheid
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Leitsatz:

Tenor:

Der Antrag der Antragstellerin vom 10. Februar 1991 auf Anfechtung und Wiederholung der Gemeindeversammlung vom 20. Januar 1991 wird zurückgewiesen.
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Gründe I:

Die Antragstellerin, die sich in der Auseinandersetzung um den früheren Kirchenvorsteher C. und den damit im Zusammenhang stehenden Streitigkeiten stark engagiert hat (s. hierzu das Urteil des Kirchlichen Verfassungs- und Verwaltungsgerichts vom 22.03.1991 – I 6/1990), wendet sich durch Anrufung des Kirchengerichts gegen die Durchführung der zur Vorbereitung der Kirchenwahl in der A-Kirchengemeinde A am 20. Januar 1991 stattgefundenen Gemeindeversammlung. Sie ficht diese Gemeindeversammlung an und beantragt ihre Wiederholung. Hierzu macht sie hauptsächlich geltend, es sei seitens des Kirchenvorstandes und der Versammlungsleitung gegen objektive Wahlgrundsätze verstoßen worden, es sei eine unzulässige Wahlbeeinflussung und Manipulation erfolgt und damit sei der Grundsatz einer freien Wahl verletzt worden. Die Antragstellerin hat dies in ihrer Antragsbegründung vom 13.02.1991 in 15 Punkten im einzelnen ausgeführt. Hierauf und auf ihre Ergänzungsbegründung im Schriftsatz vom 17.03.1991 wird Bezug genommen.
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Gründe II:

Nach § 17 Abs. 1 KVVG kann der Vorsitzende einen an das Kirchengericht gestellten Antrag durch einen mit Gründen versehenen Bescheid zurückweisen, wenn der erhobene Anspruch rechtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist.
Auf Grund dieser Bestimmung wird der Antrag der Antragstellerin vom 10.02.1991 auf Anfechtung und Wiederholung der in der Evangelischen A-Kirchengemeinde A am 20.01.1991 stattgefundenen Gemeindeversammlung zurückgewiesen. Er ist aus mehreren Gründen unzulässig.
Anfechtbar sind nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 KVVG kirchliche Verwaltungsakte. Die Durchführung einer Gemeindeversammlung und die Versammlungsleitung sind keine Verwaltungsakte. Zwar können aus der Gemeindeversammlung an den Kirchenvorstand Anträge gestellt und Anregungen gegeben werden, die von diesem zu behandeln sind (Art. 11 Abs. 4 Kirchenordnung). Wenn ein Gemeindemitglied in einer Gemeindeversammlung durch Maßnahmen der Versammlungsleitung nicht genügend zu Wort kommen sollte, so ergibt sich daraus allenfalls, dass sich das auf diese Weise zurückgesetzte Gemeindemitglied außerhalb der Gemeindeversammlung direkt an den Kirchenvorstand mit seinem Anliegen wenden kann und dass der Kirchenvorstand zu einer Behandlung eines so gestellten Antrags verpflichtet ist. Erst gegen einen dann erlassenen oder unterlassenen Beschluss des Kirchenvorstandes kann sich das Gemeindemitglied im rechtlich vorgesehenen Verfahrensweg wenden, wenn es in seinen rechtlichen Interessen berührt ist (§ 6 Nr. 3 KVVG).
Im übrigen ist die Antragstellerin von den in ihrem Schriftsatz vom 13.02.1991 aufgelisteten Verstößen, die nach ihrer Meinung bei der Gemeindeversammlung vorgekommen sein sollen, nur in einem Punkt selbst betroffen. In Punkt 15 macht sie geltend:
„Als daraufhin das Gemeindemitglied A. den Antrag von Frau L. mit einem neuen Antrag unterstützen wollte, wurde sie von Herrn D. unwirsch unterbrochen: „keinen Antrag“ (12.13 Uhr).“
Bezüglich des Antrags der Frau L. wird in Punkt 13 und 14 ausgeführt, dass Frau L. einen Antrag auf Vertagung mit der Argumentation stellte, „dass schon viele den Raum verlassen hätten, noch weitere den Raum verlassen werden, weil sie aus familiären Gründen nach Hause müssen und eine Ergänzungswahl zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr repräsentativ sei“. Dieser Antrag sei von Pfarrer D. mit den Worten abgelehnt worden, man sei aus den vorgegebenen Ordnungen verpflichtet, noch heute über vorgeschlagene Kandidaten wählen zu lassen. Pfarrer D. habe förmlich darauf gedrängt, „dass die Wahl jetzt noch ganz schnell durchgeführt werden müsse“.
Ein derartiges Verhalten des Pfarrers D. ist jedoch nicht zu beanstanden. Bei der Gemeindeversammlung ging es um die etwaige Ergänzung des vom Wahlausschuss aufgestellten vorläufigen Wahlvorschlags. Im Hinblick auf die bevorstehende Kirchenwahl waren dabei zeitliche Gegebenheiten zu berücksichtigen, so dass die Ablehnung einer Vertagung der Gemeindeversammlung in der Kompetenz des Kirchenvorstandes und dem pflichtgemäßen Ermessen der von ihm bestellten Versammlungsleitung lag.
Schließlich ist zu berücksichtigen, dass nach der Kirchengemeindewahlordnung sowohl die Aufstellung des ergänzten Wahlvorschlags als auch das Wahlergebnis nicht vor dem Kirchlichen Verfassungs- und Verwaltungsgericht angefochten werden kann. Das ergibt sich aus den §§ 12 und 21 der Kirchengemeindewahlordnung:
§ 12 Abs. 2 KGWO:
Über Einsprüche (gegen den ergänzten Wahlvorschlag) entscheidet der bisherige Kirchenvorstand unverzüglich. Gegen eine Entscheidung ist Beschwerde an den Dekanatssynodalvorstand zulässig.
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Der Dekanatssynodalvorstand entscheidet endgültig.
§ 21 KGWO:
Das Wahlergebnis ist ..... bekannt zu machen, wobei darauf hinzuweisen ist, dass binnen einer Woche schriftlich beim Kirchenvorstand Einspruch erhoben werden kann.
Der Kirchenvorstand hat etwaige Einsprüche mit seiner Stellungnahme dem Dekanatssynodalvorstand unverzüglich zur Entscheidung vorzulegen.
.............................................
Gegen die Entscheidung des Dekanatssynodalvorstandes ist Beschwerde an die Kirchenleitung zulässig.
.............................................
Die Kirchenleitung entscheidet endgültig.
Das Kirchliche Verfassungs- und Verwaltungsgericht hat bereits in einem Urteil vom 22.11.1985 entschieden, dass gemäß diesen Bestimmungen („entscheidet endgültig“) eine Überprüfungs- und Entscheidungskompetenz des Kirchengerichts nach dem Willen des kirchlichen Gesetzgebers nicht gegeben ist.
Wenn aber weder der Wahlvorschlag, d. h. die Kandidatenliste, noch das Wahlergebnis vor dem Kirchlichen Verfassungs- und Verwaltungsgericht angefochten werden kann, so kann auch eine im Vorbereitungsstadium der Wahl durchgeführte Gemeindeversammlung, in der der vorläufige Wahlvorschlag des Wahlausschusses ergänzt werden kann, nicht einer gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden kann.
Die Antragstellerin kann daher aus den angeführten Gründen mit ihrem Begehren, dass die Gemeindeversammlung vom 20.01.1991 gerichtlich beanstandet und wiederholt werden soll, keinen Erfolg haben.
Darmstadt, den 19. April 1991
Belehrung über den gegen diesen Bescheid gegebenen Rechtsbehelf
Gemäß § 17 Abs. 3 KVVG kann die Antragstellerin binnen einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung des Bescheids eine Entscheidung durch die voll besetzte Kammer auf Grund einer durchzuführenden mündlichen Verhandlung beantragen.