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Kirchengericht:Kirchliches Verfassungs- und Verwaltungsgericht der EKHN
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:14.09.1990
Aktenzeichen:KVVG II 3/90
Rechtsgrundlage:Art. 57 KO; § 1 KVG; §§ 35,35a,37 PfG; §§ 3,20 KVVG
Vorinstanzen:
Schlagworte:, Aussetzung der sofortigen Vollziehung, Beurlaubung, Organermächtigung, Ungedeihlichkeit
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Leitsatz:

Tenor:

Die sofortige Vollziehung des Bescheids vom 13. August 1990 – Az.: 2001 – wird ausgesetzt.
Für das Verfahren werden Gebühren und Auslagen nicht erhoben.
Die außergerichtlichen Kosten hat die Antragsgegnerin zu tragen.
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Gründe I:

I.
Der Antragsteller ist seit dem 1. Februar 1988 Inhaber der Pfarrstelle I in der Ev. Kirchengemeinde A.
Unstimmigkeiten zwischen ihm und dem Kirchenvorstand führten im Spätherbst 1989 zu der Erörterung, ob der Antragsteller bereit sei, sich auf eine andere Stelle zu bewerben. Dies lehnte er jedoch ab.
Am 14. Dezember 1989 beschloss der Kirchenvorstand, dass vom Antragsteller eine gedeihliche Führung seines Amtes nicht mehr zu erwarten sei und dass die Antragsgegnerin deshalb gebeten werde, weitere Schritte zu übernehmen.
Diesen Beschluss wiederholte der Kirchenvorstand am 19. Februar 1990.
In einem sog. “Umlaufbeschluss“ vom 2. Mai 1990 forderte der Kirchenvorstand die Antragsgegnerin auf, gegen den Antragsteller “das Verfahren unverzüglich einzuleiten“.
Am 22. Mai 1990 beschloss die Antragsgegnerin, gegen den Antragsteller ein Verfahren nach § 35 a Abs. 1 lit. c) einzuleiten. Diesen Beschluss teilte die Kirchenverwaltung dem Kirchenvorstand und dem Antragsteller jeweils mit Schreiben vom 25. Mai 1990 mit.
Am 3. Juli 1990 fasste die Antragsgegnerin (Kirchenleitung) folgenden Sitzungsbeschluss:
“Die zuständigen Referenten der Kirchenverwaltung (C./S.,E./F.) werden für die Zeit vom 4. Juli 1990 bis 26. August 1990 ermächtigt, gegen Pfarrer A. ein Verfahren gem. § 35 a PfG zu eröffnen und ihn anzuhören und ihm gem. § 37 PfG die Ausübung seines Dienstes zu untersagen, wenn sie dies in gemeinsamer Entscheidung eines Theologen mit einem Juristen für erforderlich halten. Die Ermächtigung schließt die Anordnung des sofortigen Vollzuges ein.“
Mit einer unter dem Briefkopf der Kirchenverwaltung ergangenen, an den Antragsteller gerichteten Verfügung vom 13. August 1990 wurde sodann angeordnet, dass sich der Antragsteller ab Zugang dieser Verfügung der Ausübung seiner Dienstgeschäfte vollständig zu enthalten habe.
Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet. In der der Verfügung beigegebenen Rechtsmittelbelehrung wurde der Antragsteller darüber belehrt, dass er gegen die Verfügung die Entscheidung des Kirchlichen Verfassungs- und Verwaltungsgerichts beantragen könne.
Die Verfügung vom 13. August 1990 wurde durch einen Hinweis auf die am 3. Juli 1990 von der Antragsgegnerin beschlossene Ermächtigung der zuständigen Referenten der Kirchenverwaltung eingeleitet. Sie ist von Kirchenrätin F. unterzeichnet.
Gegen die ihm am 14. August 1990 zugestellte Verfügung erhob der Antragsteller mit einem bei Gericht am 23. August 1990 eingegangenen Schriftsatz Klage. Mit ihr beantragt er die Aufhebung der Verfügung. Gleichzeitig wendet er sich gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung.
Der Antragsteller ist der Auffassung, die Antragsgegnerin habe die ihr nach § 37 PfG zustehende Entscheidungsbefugnis ohne Rechtsgrundlage auf Referenten der Kirchenverwaltung übertragen. Es sei keine Ermächtigungsgrundlage für eine derartige Delegation ersichtlich. Es könne nicht Aufgabe von Referenten der Kirchenverwaltung sein, eine Entscheidung über eine so einschneidende Maßnahme zu treffen und noch deren sofortige Vollziehung anzuordnen.
Der Antragsteller rügt weitere Verfahrensfehler und trägt materielle Einwendungen vor.
Er beantragt,
die aufschiebende Wirkung seiner Klage wieder herzustellen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Bezüglich der Ermächtigung von Referenten der Kirchenverwaltung trägt sie vor, dass Rechtsgrundlage für diese Ermächtigung § 1 Abs. 1 KVG sei. Hiernach sei nämlich die Kirchenverwaltung für alle Aufgaben verantwortlich, die ihr durch das kirchliche Recht oder durch die Kirchenleitung zur selbständigen Entscheidung zugewiesen würden. Die Antragsgegnerin verweist zudem auf Abschnitt C II 19 BR-KL, wonach sich die Kirchenleitung die Entscheidung nach § 37 PfG gerade nicht vorbehalten habe. Richtig sei, dass die angefochtene Verfügung nur von der juristischen Referentin unterzeichnet sei. Ausweislich der Personalakte sei die Entscheidung aber zusammen mit einem theologischen Referenten getroffen worden.
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Gründe II:

II.
Der im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 KVVG umzudeutende Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung ist zulässig. Die angefochtene Verfügung stellt einen kirchlichen Verwaltungsakt im Sinne des § 3 Abs. 2 KVVG dar. Die vom Antragsteller erhobene Anfechtungsklage hat daher nach § 20 Abs. 1 Satz 1 KVVG grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt, nachdem die sofortige Vollziehung der Verfügung vom 13. August 1990 angeordnet wurde. Dem Antragsteller steht somit der Rechtsbehelf nach § 20 Abs. 2 Satz 1 KVVG zur Verfügung.
Der Antrag ist auch begründet.
Ein besonderes kirchliches Interesse am Sofortvollzug der angefochtenen Verfügung kann allenfalls dann bestehen, wenn diese Verfügung selbst rechtmäßig ist. Das ist nicht der Fall. Die in der Verfügung nach § 37 PfG angeordnete “Beurlaubung“ ist rechtswidrig, weil sie gegen kirchliches Recht verstößt.
Die Kammer hat in diesem summarischen Verfahren die grundsätzliche Frage offen gelassen, ob die Kirchenleitung die ihr nach § 37 PfG zugewiesene Entscheidung auf die Kirchenverwaltung als solche übertragen kann. Es mag Gründe für aber auch solche gegen die Zulässigkeit dieser Maßnahme geben.
Die von der Kirchenleitung am 3. Juli 1990 ausgesprochene Ermächtigung ist nämlich schon deshalb rechtsfehlerhaft, weil die Entscheidungsbefugnis auf vier bestimmte Referenten der Kirchenverwaltung übertragen und diese Übertragung noch mit der Einschränkung versehen worden ist, dass die “gemeinsame Entscheidung eines Theologen mit einem Juristen“ erforderlich ist.
Selbst wenn die grundsätzliche, hier aber offen gelassene Frage einer Übertragbarkeit der der Kirchenleitung nach § 37 PfG zustehenden Befugnis zu bejahen wäre, könnte die Kirchenleitung diese Befugnis nur auf die Kirchenverwaltung als Organ im Sinne des Art. 57 KO und des § 1 KVG übertragen. Dies ergibt sich nach Auffassung der Kammer zunächst aus § 1 KVG, der eben nur die Zuweisung von Aufgaben an die Kirchenverwaltung und die Beauftragung der Kirchenverwaltung (“Organermächtigung“) vorsieht. Im übrigen aber ist zu berücksichtigen, dass das Kirchenverwaltungsgesetz in seinem Teil II die Gliederung und das Entscheidungsverfahren der Kirchenverwaltung in ganz bestimmter Weise regelt (Abteilung, Referate, Umlaufverfahren). Diese Regelung wird konkretisiert durch die Geschäftsordnung der Kirchenverwaltung (GO-KV). Dies führt zu der Schlussfolgerung, dass sich die Art und Weise des Zustandekommens einer Entscheidung der Kirchenverwaltung allein nach deren rechtsverbindlich geregelter Organisation richtet, nicht aber von der Kirchenleitung vorgegeben werden kann, zumindest nicht im Einzelfall.
War die von der Antragsgegnerin am 3. Juli 1990 ausgesprochene Ermächtigung unter den dargelegten Gesichtspunkten unwirksam, so kann diese Ermächtigung auch nicht etwa als Bevollmächtigung einzelner Referenten/Referentinnen der Kirchenverwaltung zur Vornahme von Rechtshandlungen der Kirchenleitung angesehen werden. Denn eine Rechtsgrundlage für die Übertragung von Entscheidungen der Kirchenleitung, die durch Sitzungsbeschluss zu treffen sind, auf Bevollmächtigte ist nicht erkennbar. Die angefochtene Verfügung vom 13. August 1990 selbst gibt letztlich auch eine gewisse Unsicherheit bezüglich der rechtlichen Bewertung des Beschlusses der Kirchenleitung vom 3. Juli 1990 zu erkennen.
Nach dem Briefkopf handelt es sich um eine Entscheidung der Kirchenverwaltung. Dem entspräche aber nicht die Rechtsmittelbelehrung, weil gegen Entscheidungen der Kirchenverwaltung gem. § 1 Abs. 5 KVG die Beschwerde an die Kirchenleitung gegeben ist. Dagegen spricht die Rechtsmittelbelehrung dafür, dass es sich um eine Entscheidung der Kirchenleitung handelt, was dann wiederum nicht mit einer für den Antragsteller gebotene Klarheit zum Ausdruck kommt.
Nach alledem kann die in der kirchlichen Verfügung vom 13. August 1990 gem. § 37 PfG getroffene Anordnung keinen Bestand haben. Demgemäss war die sofortige Vollziehung dieser Verfügung auszusetzen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 36, 38 KVVG, 154 Abs. 1 VwGO.