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Kirchengericht:Kirchliches Verfassungs- und Verwaltungsgericht der EKHN
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:14.04.1986
Aktenzeichen:KVVG II 6/86
Rechtsgrundlage:§§ 35a,36,39,51 PfG; § 44 KGO; § 20 KVVG; §§ 80,123 VwGO
Vorinstanzen:
Schlagworte:Aussetzung der sofortigen Vollziehung, Besetzungsverfahren, Einstweilige Anordnung, Ernennung, Pfarrstellenbesetzung, Ungedeihlichkeit
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Leitsatz:

Tenor:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen
Für das Verfahren werden Gebühren und Auslagen nicht erhoben.
Die außergerichtlichen Kosten trägt der Antragsteller.
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Gründe I:

I.
Der Antragsteller ist Inhaber der Pfarrstelle II der C.........-Gemeinde in A. Zwischen ihm und der Mehrheit des Kirchenvorstands dieser Gemeinde sowie dem Pfarrer, der die Pfarrstelle I verwaltet, bestehen seit einiger Zeit Spannungen, die u.a. zu bei diesem Gericht anhängigen kirchengerichtlichen Verfahren geführt haben, bei denen der Antragsteller sich gegen die Besetzung der Pfarrstelle I durch den gegenwärtigen Verwalter dieser Stelle wendet.
Mit Schreiben vom 6. April 1986 hat der Vorsitzende des Kirchenvorstands zu einer Kirchenvorstandssitzung am 15. April 1986 eingeladen. Auf der Tagesordnung steht u.a. "Zusammenarbeit Pfarramt II (Süd) - KV". Nach dem Einladungsschreiben ist auch zu diesem Punkt eine Beschlussfassung möglich bzw. vorgesehen. Zu der Kirchenvorstandssitzung wurden der Dekan, der Propst und ein Vertreter der Kirchenverwaltung eingeladen.
Der Antragsteller macht geltend:
Er sei wegen seiner derzeitigen, dem Gericht bekannten Erkrankung und wegen der Kürze der Einladungsfrist nicht in der Lage, den Kirchenvorstand bis zur vorgesehenen Beschlussfassung umfassend und vollständig mit den Informationen zu versehen, die es dem Kirchenvorstand erlauben würden, eine alle Fakten berücksichtigende Entscheidung zu treffen. Sein Verfahrensbevollmächtigter habe mit Schreiben an den Vorsitzenden des Kirchenvorstands vom 10. April 1986 darum ersucht, keine Beschlüsse zu dem genannten Tagesordnungspunkt zu fassen. Die Entscheidung über dieses Ersuchen sei jedoch offen. In einem von dem Verfahrensbevollmächtigten am gleichen Tag mit OKR J. geführten Telefonat habe dieser keinen Anlass für rechtsaufsichtliche Maßnahmen der Kirchenverwaltung gesehen. Er, der Antragsteller, benötige eine Frist bis Ende Mai 1986, um für den Kirchenvorstand die notwendigen Informationen zusammenzustellen. Er werde bis zu dem genannten Zeitpunkt eine Informationsschrift dem Kirchenvorstand zuleiten.
In einem am 11. April 1986 bei Gericht eingegangenen Schreiben beantragt der Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung - der Dringlichkeit wegen durch den Vorsitzenden ohne vorherige mündliche Verhandlung - mit folgendem Inhalt:
1. Dem Kirchenvorstand der Evangelischen C.........-Gemeinde wird aufgegeben, bis zum 31. Mai 1986 keinen Beschluss zur Zusammenarbeit Pfarramt II (Süd) - Kirchenvorstand im Zusammenhang mit einer möglichen Versetzung des Pfarrers zu fassen.
2. Der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau wird aufgegeben, im Rahmen der Rechtsaufsicht sicherzustellen, dass vom Kirchenvorstand der Evangelischen C.........-Gemeinde bis zum 31. Mai 1986 kein Beschluss zur Zusammenarbeit Pfarramt II (Süd) - Kirchenvorstand im Zusammenhang mit einer möglichen Versetzung des Pfarrers gefasst wird.
Zur Begründung führt der Antragsteller ergänzend aus:
Er habe Anspruch darauf, dass der Kirchenvorstand keine Beschlüsse zur Zusammenarbeitsfrage fasse, ohne dass er zuvor vollständig und umfassend informiert sei. Dieser Anspruch folge aus seiner organschaftlichen Mitgliedsstellung im Kirchenvorstand, seinem dienstrechtlichen Verhältnis zur Kirche sowie aus den gravierenden Nachteilen, die sich für den Antragsteller aus einer etwaigen negativen Beschlussfassung des Kirchenvorstands im Hinblick auf die Versetzungsvorschrift des § 35a Pfarrergesetz ergeben könnten.
Es stehe zu erwarten, dass die Kirchenverwaltung eine negative Beschlussfassung zum Anlass für eine Versetzung nach § 35a Pfarrergesetz (Ungedeihlichkeit) nehmen würde. Dies hätte aller Voraussicht nach gemäß § 39 des Pfarrergesetzes eine Versetzung des Antragstellers in den Wartestand zur Folge mit der möglichen Konsequenz, dass eine zwangsweise Versetzung in den Ruhestand gemäß § 51 Abs. 2 des Pfarrergesetzes nach zwei Jahren erfolgen würde. Die damit verbundenen immateriellen und materiellen Nachteile für den Antragsteller seien evident.
Repressiver Rechtsschutz - etwa durch Anfechtung des Kirchenvorstandsbeschlusses oder durch Anfechtung einer Versetzungsmaßnahme - sei nicht ausreichend, um die rechtlichen Nachteile für den Antragsteller in vollem Umfang abzuwenden. Eine für den Antragsteller nachteilige Beschlussfassung des Kirchenvorstands sei hinsichtlich der Richtigkeit und Vollständigkeit der Fakten, die zur Meinungsbildung der Beschließenden geführt hätten, im Rahmen des nachträglichen Rechtsschutzes nicht nachprüfbar.
Daher müsse sichergestellt sein, dass die Mitglieder des Kirchenvorstands, bevor sie Beschlüsse fassten, umfassend und vollständig informiert seien.
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Gründe II:

II.
Das angerufene Gericht ist rechtlich dazu in der Lage, eine einstweilige Anordnung zu treffen. Das Kirchengesetz über das Kirchliche Verfassungs- und Verwaltungsgericht (KVVG) erwähnt zwar eine solche Anordnung nicht. Geregelt ist vielmehr dort nur die Aussetzung der sofortigen Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts und die Aufhebung der Vollziehung (§ 20 Abs. 2 und 3 KVVG). Die Vorschriften des KVVG werden jedoch ergänzt durch die Vorschriften der VwGO, soweit grundsätzliche Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen (§ 38 KVVG). Auf Grund dieser Verweisung erscheint es zulässig, im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes § 123 VwGO entsprechend anzuwenden. Die entsprechende Anwendung dieser Vorschrift ermöglicht zugleich auch gemäß § 123 Abs. 2 Satz 3, § 80 Abs. 7 VwGO in dringenden Fällen die Entscheidung durch den Vorsitzenden des Gerichts (entsprechend der in § 20 Abs. 3 KVVG für Aussetzung und Aufhebung der Vollziehung getroffenen Regelung).
Im vorliegenden Fall ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung jedoch nicht begründet.
Der Antrag ist zumindest deshalb zurückzuweisen, weil der Antragsteller keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat. Ob im übrigen die Voraussetzungen einer einstweiligen Anordnung vorliegen, kann deshalb dahingestellt bleiben.
Das Gericht kann aus dem Vorbringen des Antragstellers nicht entnehmen, dass ohne den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert würde und dass bei einer Abwägung der für und gegen den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Gesichtspunkte die für den Erlass sprechenden Gründe überwiegen.
Der Antragsteller möchte die Mitglieder des Kirchenvorstands, bevor sie in der Kirchenvorstandssitzung am 15. April 1986 zu dem Tagesordnungspunkt "Zusammenarbeit Pfarramt II (Süd) - KV" möglicherweise einen Beschluss fassen, zuvor vollständig und umfassend informieren, ihnen alle Fakten unterbreiten und zu diesem Zweck eine Informationsschrift vorlegen. Bei diesem Vorbringen bleibt offen, worüber der Antragsteller eigentlich die anderen Mitglieder des Kirchenvorstands informieren möchte. Zu dieser Frage wären nähere Ausführungen erforderlich gewesen. Denn die Mitglieder des Kirchenvorstands kennen zumindest für den entscheidenden Zeitraum der letzten 7 bis 8 Monate die Zusammenarbeit mit dem Antragsteller aus eigener Erfahrung; soweit sie schon vorher dem Kirchenvorstand angehört haben, auch für die vorausgegangene Zeit.
Sollten dennoch den Mitgliedern des Kirchenvorstands irgendwelche wesentlichen Umstände unbekannt sein, so ist nicht glaubhaft gemacht, dass innerhalb der zur Verfügung stehenden Frist von einer Woche keine Möglichkeit bestand, die nötigen Informationen für die Mitglieder des Kirchenvorstands zusammenzustellen. Dem Gericht ist bekannt, dass der Antragsteller sich am 26. März 1986 in ein Krankenhaus begeben hat, um sich dort einen Leistenbruch operieren zu lassen. Bei normalem Verlauf einer solchen Behandlung - für einen anomalen Verlauf ist nichts vorgetragen worden - war der Antragsteller in der vergangenen Woche bereits wieder aus dem Krankenhaus entlassen. Selbst wenn er dann noch nicht wieder voll arbeitsfähig gewesen ist, müsste es ihm doch möglich gewesen sein, die ihm erforderlich erscheinenden Informationen innerhalb von einigen Tagen zusammenzustellen und einer Schreibkraft zu diktieren. Selbst wenn er hierzu nicht in der Lage gewesen sein sollte, hätte er die Möglichkeit gehabt, das auf seiner Seite stehende Kirchenvorstandsmitglied, Frau G. (früher Vorsitzende des Kirchenvorstands), zu bitten, dem Kirchenvorstand die nötigen Informationen zu vermitteln. Dem Gericht ist aus den Kirchengerichtsverfahren II 1 bis 3/86 bekannt, dass der Antragsteller und Frau G. bei der Prozessführung eng zusammenwirken. Frau G. hat in dem Verfahren II 2/86 eine umfassende Darstellung der Entwicklung der Verhältnisse in der Gemeinde gegeben. Sie ist hiernach gut informiert. Ergänzende Informationen hätte der Antragsteller ihr mündlich erteilen können. Das Gericht hat nach dem, was sich aus den Akten II 1 bis 3/86 ergibt, keine Zweifel, dass Frau G. erforderlichenfalls bereit gewesen wäre, im Kirchenvorstand die Interessen des Antragstellers zu vertreten und dem Kirchenvorstand aus der Sicht des Antragstellers etwa notwendige Informationen zu geben.
Hinzu kommt: Selbst wenn der Kirchenvorstand bei einer etwaigen Beschlussfassung nicht vollständig und umfassend informiert sein sollte, würden dem Antragsteller hieraus keine schwerwiegenden Nachteile entstehen. Der Antragsteller hat die Möglichkeit, gegen ihn betreffende Beschlüsse des Kirchenvorstands Rechtsbehelfe einzulegen (§ 44 KGO). Er kann hierbei dartun, dass der Kirchenvorstand seinen Beschluss auf einer unzureichenden Informationsgrundlage getroffen hat. Erscheint diese Behauptung begründet, wird der Beschluss aufgehoben werden müssen. Im übrigen trifft die Entscheidung über eine Versetzung des Antragstellers nicht der Kirchenvorstand sondern die Kirchenleitung (§§ 35a, 36 Pfarrergesetz). Der Kirchenvorstand ist in dem Versetzungsverfahren nur eine unter mehreren Institutionen, die von der Kirchenleitung vor ihrer Beschlussfassung angehört werden müssen. Kann der Antragsteller gegenüber der Kirchenleitung darlegen, dass die Stellungnahme des Kirchenvorstands auf einer unzureichenden Informationsgrundlage beruht, so wird die Kirchenleitung dies entsprechend zu würdigen haben. Der Antragsteller kann schließlich in dem Versetzungsverfahren verlangen, dass er vor der Entscheidung auch noch mündlich von der Kirchenleitung und dem Pfarrerausschuss gehört wird (§ 36 Abs. 2 Satz 2 Pfarrergesetz). Auch hier kann er noch einmal die Entwicklung der Verhältnisse in der Gemeinde eingehend darlegen.
Nach alledem besteht kein hinreichender Grund für den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 36 KVVG und § 38 KVVG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO.