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Kirchengericht:Kirchliches Verfassungs- und Verwaltungsgericht der EKHN
Entscheidungsform:Beschluss
Datum:07.06.1967
Aktenzeichen:KVVG II 1 und 2/66
Rechtsgrundlage:§§ 14,15,91 DG.EKD; §§ 2,35 KVVG; § 91a ZPO
Vorinstanzen:
Schlagworte:Dekanekonferenz, Disziplinarangelegenheiten, Kostenentscheidung, Verwaltungsakt
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Leitsatz:

1. Vieles spricht dafür, dass der Ausschluss eines Dekanstellvertreters von einer Dekanekonferenz nicht eine lediglich den inneren Dienstbetrieb regelnde Verfügung, sondern eine anfechtbare Verwaltungsentscheidung im Sinne von § 2 Nr. 3 KVVG darstellt.
2. Die Vorschriften des Disziplinargesetzes gehen als eine Sonderregelung den allgemeinen Vorschriften des KVVG vor. Maßnahmen, die auf Grund des Disziplinargesetzes getroffen worden sind, können daher nur unter den in diesem Gesetz genannten Voraussetzungen und in den dort vorgesehenen Verfahren angefochten werden. Daher ist für die Entscheidung über Beschwerden in Disziplinarangelegenheiten grundsätzlich das Disziplinargericht, nicht aber das Kirchliche Verfassungs- und Verwaltungsgericht zuständig.

Tenor:

Die Kosten beider nunmehr verbundenen Verfahren werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
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Gründe I:

Der Beschwerdeführer ist Pfarrer in A. und zugleich stellvertretender Dekan des Dekanats ..... Im Januar 1966 erhielt er ein Schreiben des Propstes für .........., in dem dieser beanstandete, dass kein Mitglied der Gemeinde des Beschwerdeführers die Zeitschrift "Weg und Wahrheit" abonniert habe. In seinem Antwortschreiben vom 26. Mai 1966 befasste sich der Beschwerdeführer unter anderem kritisch und nach Ansicht der Beschwerdegegnerin in beleidigender und verleumderischer Weise mit der Amtsführung der Mitglieder des Leitenden Geistlichen Amtes und dem Verhalten verschiedener Amtsbrüder. Einen Durchschlag des Schreibens sandte er der Beschwerdegegnerin.
Am 7. und 8. November 1966 fand in Arnoldshain eine Dekanekonferenz statt. Da der Dekan des Dekanats ....... verhindert war, bat er den Beschwerdeführer, ihn auf der Konferenz zu vertreten. Die Beschwerdegegnerin teilte hierauf mit Schreiben vom 4. November 1966 dem Beschwerdeführer mit, sie halte es im Hinblick auf seinen Brief vom 26. Mai 1966 mit den schweren Anwürfen gegen das Leitende Geistliche Amt, die Kirchenleitung und einzelne Mitglieder dieser Gremien sowie gegen andere Pfarrer der Kirche, solange diese Dinge nicht geklärt seien, nicht für angebracht, dass er an der Dekanekonferenz teilnehme; sie sehe daher von seiner Einladung zur Konferenz ab. Der Beschwerdeführer erwiderte, er halte eine besondere Einladung nicht für nötig und werde trotzdem an der Konferenz teilnehmen.
Auf ihrer Sitzung am 7. November 1966 beschloss die Beschwerdegegnerin, gegen den Beschwerdeführer wegen seiner Äußerungen in dem Schreiben vom 26. Mai 1966 Ermittlungen gemäß § 14 des Disziplinargesetzes wegen des Verdachts der Amtspflichtverletzung einzuleiten und ihn gemäß § 15 des Gesetzes für die Dauer der Ermittlungen von der Wahrnehmung seines Dienstes als Dekanstellvertreter zu beurlauben. Von dieser Entscheidung wurde der Beschwerdeführer am 7. November 1966 in der Mittagszeit fernmündlich unterrichtet. Der Beschwerdeführer nahm daraufhin an der Dekanekonferenz, die am Nachmittag begann, nicht teil. Durch Schreiben vom 15. November 1966 wurde der Beschluss der Kirchenleitung dem Beschwerdeführer noch einmal schriftlich übermittelt.
Der Beschwerdeführer legte gegen die Entscheidungen der Beschwerdegegnerin Beschwerde ein, und zwar wegen der Verfügung vom 4. November 1966 mit Schreiben vom 7. November 1966, eingegangen bei Gericht am 9. November 1966, und wegen des Beschlusses vom 7. November 1966 mit Schreiben vom 14. Dezember 1966, eingegangen bei Gericht am 15. Dezember 1966.
In der mündlichen Verhandlung erklärte der Vertreter der Beschwerdegegnerin, es sei nicht zu erwarten, dass die Beschwerdegegnerin künftig den Beschwerdeführer noch einmal in einer der Verfügung vom 4. November 1966 entsprechenden Weise an der Teilnahme an einer Dekanekonferenz hindern werde. Zugleich wurde in der mündlichen Verhandlung festgestellt, dass die von der Beschwerdegegnerin am 7. November 1966 beschlossene Beurlaubung des Beschwerdeführers durch Zeitablauf erledigt und durch eine vorläufige Dienstenthebung nach § 100 des Disziplinargesetzes ersetzt ist.
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Gründe II:

Nachdem die Parteien darauf die Hauptsache für erledigt erklärten, hatte das Gericht gemäss § 35 KVVG in Verbindung mit § 91a ZPO nur noch über Kosten der miteinander verbundenen Verfahren unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Für die hiernach zu treffende Entscheidung war ausschlaggebend, dass die Beschwerden, wenn die Hauptsache nicht für erledigt erklärt worden wäre, als unzulässig hätten verworfen werden müssen, und zwar die Beschwerde gegen die Verfügung vom 4. November 1966 unabhängig von der insoweit von dem Vertreter der Beschwerdegegnerin in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Erklärung.
Zwar erscheint es zweifelhaft, ob - wie die Beschwerdegegnerin vorgetragen hat - ihr Schreiben an den Beschwerdeführer vom 4. November 1966 keine Verwaltungsentscheidung im Sinne von § 2 Nr. 3 KVVG darstellte. Denn auch wenn man innerhalb des Dienstverhältnisses eines Pfarrers und Dekanstellvertreters ebenso wie innerhalb des Beamtenverhältnisses unterscheidet zwischen anfechtbaren Verwaltungsentscheidungen, die in den eigenen Rechtskreis des Betroffenen eingreifen, und nicht anfechtbaren Verfügungen, die lediglich den inneren Dienstbetrieb regeln, so liegt es doch nahe anzunehmen, dass es sich bei einer Verfügung, die einen Dekanstellvertreter an der Ausübung dieses Amtes, wenn auch nur in einem Einzelfall, hindert, um eine anfechtbare Verwaltungsentscheidung handelt (vgl. Hess. VGH DÖV 1959 S. 274). Jedoch brauchte diese Frage nicht abschließend geprüft und entschieden zu werden, da die Beschwerde jedenfalls wegen mangelnden Rechtsschutzinteresses unzulässig war. Die Verfügung der Beschwerdegegnerin vom 4. November 1966 bezog sich lediglich auf die Teilnahme des Beschwerdeführers an der Dekanekonferenz am 7. und 8. November 1966. Mit Ablauf dieser Konferenz hatte die Verfügung ihre Erledigung gefunden. Sie äußerte keinerlei rechtliche Wirkungen mehr. Nach der Überzeugung des Gerichts bestand auch nicht die Gefahr, dass die Beschwerdegegnerin in Zukunft eine ähnliche Verfügung gegen den Beschwerdeführer erließ. Denn die Beschwerdegegnerin hatte noch vor Beginn der Dekanekonferenz den Beschwerdeführer gemäß § 15 des Disziplinargesetzes für die Dauer der eingeleiteten Ermittlungen von der Wahrnehmung seines Amtes als Dekanstellvertreter beurlaubt und dem Beschwerdeführer diese Beurlaubung kurz vor Beginn der Konferenz fernmündlich zur Kenntnis gebracht. Dies geschah offensichtlich, weil die Beschwerdegegnerin Zweifel hegte, ob die Verfügung vom 4. November 1966 ausreichte, um den Beschwerdeführer an der Teilnahme an der Konferenz zu hindern. Es war nicht anzunehmen, dass die Beschwerdegegnerin eine Verfügung wiederholte, die sie schon einmal wegen aufgetauchter rechtlicher Bedenken durch eine andere Verfügung ersetzt hatte. Im übrigen wird das eingeleitete förmliche Disziplinarverfahren die Frage der Amtspflichtverletzung und die aus einer etwaigen Amtspflichtverletzung zu ziehenden disziplinar-rechtlichen Folgerungen abschließend klären, so dass auch aus diesem Grund eine der Verfügung vom 4. November 1966 entsprechende Maßnahme der Beschwerdegegnerin gegen den Beschwerdeführer nicht mehr zu erwarten war. Ein berechtigtes Interesse des Beschwerdeführers an der Feststellung der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Verfügung vom 4. November 1966 war daher nicht erkennbar.
Der Beschluss der Beschwerdegegnerin vom 7. November 1966, gegen den Beschwerdeführer wegen des Verdachts von Amtspflichtverletzungen Vorermittlungen nach § 14 des Disziplinargesetzes einzuleiten und ihn gemäß § 15 dieses Gesetzes von seinem Amt als Dekanstellvertreter vorläufig zu beurlauben, konnte beim Kirchlichen Verfassungs- und Verwaltungsgericht nicht angefochten werden. Die Vorschriften des Disziplinargesetzes gehen als eine Sonderregelung den allgemeinen Vorschriften des Kirchengesetzes über das Kirchliche Verfassungs- und Verwaltungsgericht vor. Maßnahmen, die auf Grund des Disziplinargesetzes getroffen worden sind, können daher nur unter den in diesem Gesetz genannten Voraussetzungen und in den dort vorgesehenen Verfahren angefochten werden. Beschwerden sind nach § 91 Abs. 1 des Disziplinargesetzes nur in den in diesem Gesetz bestimmten Fällen statthaft. Hinsichtlich der in den §§ 14 und 15 des Disziplinargesetzes genannten Maßnahmen sieht das Gesetz jedoch keine Beschwerdemöglichkeit vor. Im übrigen ist für die Entscheidung über Beschwerden in Disziplinarangelegenheiten grundsätzlich das Disziplinargericht, nicht aber das Kirchliche Verfassungs- und Verwaltungsgericht zuständig.
Die Kosten waren somit dem Beschwerdeführer aufzuerlegen.