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Kirchengesetz über kirchliche Stiftungen in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau
(Kirchliches Stiftungsgesetz – KStiftG)

Vom 26. April 2024

(ABl. 2024 S. 95 Nr. 48)

Die Kirchensynode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau hat das folgende Kirchengesetz beschlossen:
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§ 1
Geltungsbereich

Dieses Kirchengesetz gilt für die rechtsfähigen evangelisch-kirchlichen Stiftungen, die der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau organisatorisch zugeordnet sind, sowie für die nicht rechtsfähigen evangelisch-kirchlichen Stiftungen, deren Treuhänder der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau organisatorisch zugeordnet sind.
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Abschnitt 1
Die rechtsfähige kirchliche Stiftung

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§ 2
Begriff der kirchlichen Stiftung

( 1 ) Kirchliche Stiftungen im Sinne dieses Kirchengesetzes sind rechtsfähige Stiftungen des öffentlichen Rechts oder des bürgerlichen Rechts, die:
  1. von der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau durch ihre Organe, insbesondere von Kirchengemeinden, Dekanaten und kirchlichen Verbänden errichtet worden sind;
  2. von anderen natürlichen oder juristischen Personen errichtet worden sind und
    1. die organisatorisch der Kirche zugeordnet sind oder
    2. deren Zweck so bestimmt ist, dass er sinnvoll nur in Verbindung mit der Kirche erfüllt werden kann.
( 2 ) Kirchliche Stiftungen des öffentlichen Rechts sind rechtsfähige Stiftungen, die zur Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, ihren Kirchengemeinden, Dekanaten und kirchlichen Verbänden in einer solchen Beziehung stehen, dass sie als kirchliche Einrichtung erscheinen und als kirchliche Stiftung des öffentlichen Rechts errichtet oder anerkannt worden sind.
( 3 ) Kirchliche Stiftungen des bürgerlichen Rechts sind rechtsfähige Stiftungen, die nach den Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches errichtet worden sind.
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§ 3
Entstehung der Stiftung

( 1 ) Für die Entstehung einer Stiftung gelten die Vorschriften des staatlichen und kirchlichen Rechts.
( 2 ) Die Stifterinnen und Stifter haben den Antrag auf Anerkennung als kirchliche Stiftung bei der Kirchenleitung vor dem Antrag auf staatliche Anerkennung zu stellen.
( 3 ) Die Anerkennung der Stiftung als kirchliche Stiftung ist im Amtsblatt der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau zu veröffentlichen.
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§ 4
Stiftungssatzung

( 1 ) Die Stiftungssatzung muss neben den allgemeinen gesetzlichen Anforderungen Regelungen enthalten über
  1. den kirchlichen oder diakonischen Zweck der Stiftung,
  2. die kirchliche Aufsicht und
  3. die Anfallberechtigung an eine kirchliche oder diakonische Körperschaft.
( 2 ) Die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs sollen einer Kirche angehören, die Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland ist. Die Mehrheit soll einer evangelischen Kirche angehören, die Gliedkirche der Evangelischen Kirche in Deutschland oder mit der die Evangelischen Kirche in Deutschland in Kirchengemeinschaft verbunden ist.
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Abschnitt 2
Die Verwaltung der Stiftung

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§ 5
Stiftungsverwaltung

( 1 ) Die Stiftungsorgane haben die Stiftung sparsam und nach den Regeln ordentlicher Wirtschaftsführung zu verwalten. Die Verwaltung dient der dauernden und nachhaltigen Erfüllung des Stiftungszwecks unter Berücksichtigung des Willens der Stifterin oder des Stifters.
( 2 ) Vergütungen für Dienstleistungen, Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgelder sind schriftlich zu regeln.
( 3 ) Die Mitglieder der Stiftungsorgane sind verpflichtet, über Angelegenheiten, die ihrer Natur nach vertraulich sind oder als vertraulich erklärt werden, Stillschweigen zu bewahren.
( 4 ) Für Fälle eines Interessenwiderstreits von Mitgliedern eines Stiftungsorgans gilt § 37 der Kirchengemeindeordnung1# entsprechend.
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§ 6
Vermögenserhalt

Die Stiftungsaufsicht kann auf Antrag einer Stiftung für einen bestimmten Teil des Grundstockvermögens eine zeitlich begrenzte Ausnahme vom Grundsatz des ungeschmälerten Erhalts gemäß § 83c Absatz 1 Satz 1 BGB zulassen, wenn dadurch die dauernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks nicht beeinträchtigt wird.
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§ 7
Buchführung, Jahresabschluss

( 1 ) Die Stiftung ist in Bezug auf alle Einnahmen und Ausgaben zur ordnungsgemäßen Buchführung und Rechnungslegung verpflichtet.
( 2 ) Sofern die Satzung nichts anderes bestimmt, ist Rechnungs- und Geschäftsjahr das Kalenderjahr.
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Abschnitt 3
Die Aufsicht über die Stiftungen

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§ 8
Stiftungsaufsicht

( 1 ) Die Stiftungen stehen unter der Aufsicht der Kirchenleitung. Die laufende Aufsicht über die Stiftungen wird von der Kirchenverwaltung wahrgenommen.
( 2 ) Aufgabe der Stiftungsaufsicht ist es, sicherzustellen, dass die Verwaltung der Stiftung nach Maßgabe dieses Gesetzes und des kirchlichen Rechts sowie im Einklang mit dem Willen der Stifterinnen und Stifter sowie der Stiftungssatzung geführt wird; dazu gehört auch die Ausformung der Stiftung als einer Wesens- und Lebensäußerung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Hierzu wird auch empfohlen, das Stiftungsvermögen ethisch-nachhaltig anzulegen. Die Stiftungsaufsicht soll die Stiftungsorgane sachverständig beraten.
( 3 ) Das zur Vertretung der Stiftung berufene Organ ist verpflichtet, der Stiftungsaufsicht die Zusammensetzung und jede Änderung in der Zusammensetzung eines Organs unverzüglich anzuzeigen.
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§ 9
Durchführung der Stiftungsaufsicht

( 1 ) Die Stiftungsaufsicht kann sich über alle Angelegenheiten der Stiftung unterrichten. Sie kann insbesondere Einrichtungen der Stiftung besichtigen, die Vorlage von Berichten, Akten und sonstigen Unterlagen verlangen. Sie kann die Geschäfts- und Kassenführung prüfen oder bei Vorliegen eines wichtigen Grundes auf Kosten der Stiftung prüfen lassen.
( 2 ) Der ordnungsgemäße Jahresabschluss ist mit einer Vermögensübersicht und einem Geschäftsbericht über die Erfüllung des Stiftungszwecks innerhalb von sechs Monaten nach Schluss des Geschäftsjahres der Stiftungsaufsicht vorzulegen. Umfasst der Stiftungszweck die treuhänderische Verwaltung von nicht rechtsfähigen Stiftungen, müssen die Unterlagen die treuhänderisch verwalteten nicht rechtsfähigen Stiftungen einbeziehen.
( 3 ) Die Stiftungsaufsicht kann anordnen, dass der Jahresabschluss durch das Rechnungsprüfungsamt, einen Prüfungsverband, eine Wirtschaftsprüferin oder einen Wirtschaftsprüfer oder eine andere zur Erteilung eines gleichwertigen Bestätigungsvermerks befugte Person oder Gesellschaft geprüft wird.
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§ 10
Genehmigungsvorbehalte

Folgende Rechtsgeschäfte und Maßnahmen der Stiftungsorgane bedürfen der Genehmigung der Stiftungsaufsicht:
  1. Erwerb, Veräußerung, oder Belastung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten sowie Erwerb und Aufgabe von Rechten an fremden Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten,
  2. der Abschluss und die Änderung von Gesellschafts-, Beteiligungs- und Betriebsführungsverträgen.
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§ 11
Beanstandung

Die Stiftungsaufsicht kann Beschlüsse und sonstige Maßnahmen der Stiftungsorgane, die kirchliches Recht verletzen oder gegen die Verfassung der Stiftung verstoßen, beanstanden und anordnen, dass sie innerhalb einer angemessenen Frist aufgehoben, abgeändert oder rückgängig gemacht werden. Beanstandete Beschlüsse und Maßnahmen dürfen nicht vollzogen werden.
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§ 12
Anordnung und Ersatzvornahme

Unterlässt die Stiftung eine rechtlich gebotene Maßnahme oder erfüllt die Stiftung sonstige Pflichten oder Aufgaben nicht, die ihr nach Gesetz oder der Verfassung der Stiftung obliegen, kann die Stiftungsaufsicht anordnen, dass die Maßnahme innerhalb einer von ihr bestimmten angemessenen Frist durchgeführt wird. Die Stiftungsaufsicht hat dabei die zu treffenden Maßnahmen zu nennen. Nach erfolglosem Ablauf der Frist kann die Stiftungsaufsicht die Maßnahmen auf Kosten der Stiftung selbst durchführen oder durchführen lassen.
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§ 13
Abberufung von Organmitgliedern

( 1 ) Die Stiftungsaufsicht kann Mitglieder eines Stiftungsorgans aus wichtigem Grund, insbesondere wegen grober Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung, abberufen und die Berufung anderer Mitglieder anordnen. Bei schuldhaftem Verhalten bedarf es einer vorherigen Abmahnung.
( 2 ) Die Stiftungsaufsicht kann dem Mitglied eines Stiftungsorgans einstweilen die Geschäftsführung untersagen, wenn es das Wohl der Stiftung erfordert.
( 3 ) Vor einer Maßnahme nach Absatz 1 oder 2 sollen die übrigen Mitglieder der Stiftungsorgane gehört werden.
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§ 14
Bestellung von Beauftragten

Wenn und solange der ordnungsgemäße Gang der Verwaltung der Stiftung es erfordert und die vorstehenden Befugnisse der Stiftungsaufsicht nicht ausreichen, kann die Stiftungsaufsicht Beauftragte bestellen, die alle oder einzelne Aufgaben der Stiftung oder eines Stiftungsorgans auf Kosten der Stiftung wahrnehmen.
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§ 15
Satzungsänderungen, Zulegung, Zusammenlegung, Auflösung, Aufhebung

Satzungsänderungen, Zulegung, Zusammenlegung, Auflösung und Aufhebung einer Stiftung bedürfen der Genehmigung der Stiftungsaufsicht, unbeschadet der Geltung staatlichen Rechts. Der Antrag auf Genehmigung durch die staatliche Stiftungsaufsicht darf erst gestellt werden, wenn die Genehmigung der Stiftungsaufsicht vorliegt.
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Abschnitt 4
Die nicht rechtsfähige kirchliche Stiftung

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§ 16
Begriff der nicht rechtsfähigen kirchlichen Stiftung

( 1 ) Eine nicht rechtsfähige kirchliche Stiftung im Sinne dieses Gesetzes ist ein Vermögen, das entweder von einer Stifterin oder einem Stifter für einen von diesen festgelegten Zweck einem kirchlichen Träger gestiftet worden ist oder das von einem kirchlichen Träger durch Beschluss einem kirchlichen oder diakonischen Zweck gewidmet worden ist.
( 2 ) Kirchliche Träger im Sinne der nachfolgenden Bestimmungen können sein
  1. die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau,
  2. ihre Kirchengemeinden, Dekanate und kirchlichen Verbände,
  3. ihre rechtsfähigen kirchlichen Stiftungen des privaten und des öffentlichen Rechts.
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§ 17
Errichtung einer nichtrechtsfähigen kirchlichen Stiftung

( 1 ) Die Stifterin oder der Stifter legt im Stiftungsgeschäft (Treuhandvertrag mit dem zukünftigen Treuhänder, Schenkung unter Auflage oder Testament) zur Stiftungsgründung den Zweck der Stiftung, den Namen und die Vermögensausstattung fest sowie gegebenenfalls die Errichtung eines Gremiums zur internen Entscheidungsfindung. Dasselbe gilt für den Gründungsbeschluss eines kirchlichen Trägers.
( 2 ) Die Stifterin oder der Stifter kann eine besondere Regelung über den Vermögensanfall für den Fall der Auflösung oder Aufhebung der nicht rechtsfähigen Stiftung treffen. Wird keine Regelung getroffen, verbleibt das Vermögen bei dem Träger, der es in einer Weise zu verwenden hat, die dem ursprünglichen Stiftungszweck möglichst nahe kommt.
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§ 18
Genehmigung und Anzeige

Der Beschluss über die Gründung einer nicht rechtsfähigen Stiftung durch die in § 16 Absatz 2 Nummer 2 genannten Träger bedarf der Genehmigung durch die Stiftungsaufsicht. Die sonstigen kirchengesetzlichen Genehmigungsbefugnisse bleiben unberührt. Die übrigen Träger haben die Gründung einer nicht rechtsfähigen Stiftung anzuzeigen.
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§ 19
Buchführung, Jahresabschluss

Die kirchlichen Träger gemäß § 16 Absatz 2 Nummer 1 und 2 unterliegen bei der treuhänderischen Verwaltung der nicht rechtsfähigen Stiftungen den Regelungen der Kirchlichen Haushaltsordnung.
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§ 20
Satzungsänderungen, Zulegung, Zusammenlegung, Auflösung, Aufhebung

( 1 ) Durch Satzungsänderungen können Bestimmungen der Satzung, die nicht den Stiftungszweck betreffen, geändert werden, wenn dies der Erfüllung des Stiftungszwecks dient.
( 2 ) Änderungen des Stiftungszwecks sind zulässig, wenn sich die Verhältnisse nach der Errichtung wesentlich verändert haben oder der Stiftungszweck nicht mehr dauernd und nachhaltig erfüllt werden kann.
( 3 ) Die Zulegung oder die Zusammenlegung mit einer anderen Stiftung ist zulässig, wenn sich die Verhältnisse nach der Errichtung der nicht rechtsfähigen Stiftung wesentlich verändert haben und eine Zweckänderung nicht ausreicht, um die nicht rechtsfähige Stiftung an die veränderten Verhältnisse anzupassen.
( 4 ) Die Auflösung der Stiftung ist zu beschließen, wenn die nicht rechtsfähige Stiftung ihren Zweck endgültig nicht mehr dauernd und nachhaltig erfüllen kann.
( 5 ) Die Kirchenleitung hat die Aufhebung einer nicht rechtsfähigen Stiftung zu beschließen, wenn die Voraussetzung des Absatz 4 vorliegt und das zuständige Organ nicht unverzüglich über die Auflösung entscheidet.
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Abschnitt 5
Schlussbestimmungen

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§ 21
Stiftungsverzeichnis

( 1 ) Die Stiftungsaufsicht führt ein Verzeichnis der kirchlichen Stiftungen, die unter ihrer Aufsicht stehen.
( 2 ) In das Stiftungsverzeichnis sind einzutragen:
  1. der Name der Stiftung,
  2. der Zweck der Stiftung,
  3. das zur Vertretung berechtigte Organ der Stiftung,
  4. das Jahr der Anerkennung,
  5. der Sitz der Stiftung sowie
  6. die Anschrift der Stiftung.
( 3 ) Die Stiftung hat die in Absatz 2 genannten Angaben und spätere Änderungen der Stiftungsbehörde unverzüglich mitzuteilen.
( 4 ) Eintragungen im Stiftungsverzeichnis begründen nicht die Vermutung ihrer Richtigkeit.
( 5 ) Die Einsicht in das Stiftungsverzeichnis ist allen gestattet.
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§ 22
Änderung der Kirchlichen Haushaltsordnung

§ 58 Nummer 5 Satz 2 der Kirchlichen Haushaltsordnung vom 26. November 2015 (ABl. 2015 S. 389), zuletzt geändert am 30. November 2023 (ABl. 2023 S. 223 Nr. 124), wird aufgehoben.
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§ 23
Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Dieses Kirchengesetz tritt am Tag nach der Verkündung im Amtsblatt in Kraft. Gleichzeitig tritt das Kirchliche Stiftungsgesetz vom 23. April 2005 (ABl. 2005 S. 162) außer Kraft.

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1 ↑ Nr. 10.