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Kirchengericht:Kirchliches Verfassungs- und Verwaltungsgericht der EKHN
Entscheidungsform:Urteil (rechtskräftig)
Datum:20.09.2013
Aktenzeichen:KVVG II 3/12
Rechtsgrundlage:Art. 11 KO; §§ 2,3,4 PfStG; § 2 KHO; § 8 GrVVO; § 3 ZPVG; §§ 36,38 KVVG; § 154 VwGO
Vorinstanzen:
Schlagworte:, Gleichheitsgrundsatz, Pfarreivermögen, Pfarrerbesoldung, Pfarrstellen, Solidarität, Stiftungen, Zentrale Pfarreivermögensverwaltung
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Leitsatz:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
3. Für das Verfahren werden Gebühren und Auslagen nicht erhoben.
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Tatbestand:

Die Klägerin ist eine relativ kleine dörfliche Kirchengemeinde im Dekanat E mit zwischen 450 und 500 Gemeindegliedern, einem Kirchengebäude, einem Pfarrhaus und einem Gemeindehaus, jedoch mit relativ hohem Pfarreivermögen von etwa 6 Hektar landwirtschaftlichen Grundstücken und einer Kapitaleinlage von gut 460.000 Euro bei der ZPV (Zentrale Pfarreivermögensverwaltung).
Aus dem Grundvermögen erzielt die Klägerin derzeit Pachteinnahmen etc. von jährlich gut 31.000, Euro. Ihre Einlage bei der ZPV erzielt dort Zinseinnahmen von knapp 12.000, Euro jährlich.
Die Klägerin ist seit 1993 pfarramtlich verbunden mit der Kirchengemeinde C und wird pfarramtlich versorgt durch den Inhaber/Verwalter der Pfarrstelle II C (Sitz A). Der mit dem Verwaltungsdienst dieser Stelle augenblicklich befristet bis zum 31.12.2014 beauftragte Pfarrer versieht seinen Dienst mit einem 2/3 Auftrag in der Kirchengemeinde C und einem 1/3 Auftrag in der Kirchengemeinde A.
Bei Anwendung der in § 2 Abs. 3 PfStG enthaltenen Kriterien ist bei der Sollstellenverteilung aus dem Sollstellenplan für das Dekanat E durch den Dekanatssynodalvorstand für die Klägerin ein Stellenanteil von 0,33 Stellen ermittelt worden. Im Dekanat wird seit einiger Zeit an einem neuen Konzept für die Zuteilung der zu seinem Stellenbudget gehörenden gemeindlichen Pfarrstellen gearbeitet. Dabei zeigt sich die Gefahr, dass die Klägerin im Bedarf herabgestuft und insbesondere den örtlichen Sitz für ein Pfarramt und für eine Pfarrwohnung verlieren könnte.
Insbesondere im Hinblick auf die letztgenannte Befürchtung (Sitzverlust) hat die Klägerin unter dem 30.05.2012 die Schaffung einer „fremdfinanzierten 0,5 Pfarrstelle für die Kirchengemeinde A mit Sitz in A“ beantragt, deren Kosten aus den Erträgen ihres bei der ZPV verwalteten Finanzvermögens und ihren jährlichen Pachteinnahmen zu bestreiten seien. Ihr heutiges Pfarreivermögen entstamme Mitteln, die ihr seinerzeit von Dritten für die Besoldung und Versorgung eines örtlichen Gemeindepfarrers zugewendet wurden.
Diesen Antrag hat die Beklagte mit Schreiben vom 13.08.2012 zurückgewiesen. Für den Antrag gebe es keine Anspruchsgrundlage im einschlägigen Pfarrstellengesetz i. V. m. Art. 11 KO. Die Höhe des Pfarreivermögens spiele dabei ausdrücklich keine Rolle für die Pfarrstellenbemessung. Die einzelne Kirchengemeinde sei insofern nicht autonom selbstverwaltungsbefugt. Die Erträge aus den Pfarreivermögen der Gemeinden seien kraft gesetzlicher Widmung in § 2 Abs. 2 KHO für die Besoldung und Versorgung der Pfarrerinnen und Pfarrer der Landeskirche (nur solche gebe es!) zweckgebunden. Es sei nicht ersichtlich, dass das Pfarreivermögen der Klägerin Stiftungs- oder stiftungsähnliches Vermögen darstelle.
Außerdem würden die laufenden freien Erträge aus dem Pfarreivermögen der Klägerin auch nicht ausreichen, um die Besoldung und Versorgung des Inhabers einer weiteren halben Pfarrstelle sicherzustellen (freie Erträge 36.650,- aber Stellenkosten 43.470,-).
Mit ihrer am 24.09.2012 beim Gericht eingegangenen Klage begehrt die Klägerin,
1. den Bescheid der Kirchenverwaltung vom 13.08.2012 aufzuheben.
2. die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin die Schaffung einer fremdfinanzierten 0,5 Pfarrstelle für die Gemeinde A mit Sitz in A zu gestatten,
hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, die Klägerin mit einer Pfarrstelle für die Kirchengemeinde mit Sitz in A auszustatten.
Die Klägerin trägt vor, ihr Pfarreivermögen entstammt einer ihr vor langer Zeit gemachten Stiftung oder mehrerer Stiftungen, was sie verpflichte, dem Stifterwillen entsprechend dauerhaft eine Pfarrstelle einzurichten und zu unterhalten. Für ihre Rechtsansicht verweist sie noch auf eine „außergerichtliche Expertise“ ihres anwaltlichen Vertreters sowie auf ein Urteil des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtes der VELKD vom 22.12.2010 (Az. RVG 4 und 5/2010) und hat eine Beschreibung von A (Verfasser: W.) aus dem Jahr 1853 vorgelegt, der das Gericht allerdings keine Hinweise zum Streitstoff des Verfahrens entnehmen konnte.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie macht Ausführungen zur Geschichte der verschieden Arten kirchlichen Vermögens und zur Struktur und Verteilung des Pfarreivermögens in der EKHN und zu dessen Zweckbindung. Sie verweist auf die Einrichtung eines Zentralkirchenfonds (in Nassau 1818, in Hessen 1888) für die Pfarrbesoldung und dessen Speisung aus den abgeführten Erträgnissen der einzelnen Pfarreivermögen. Sie stellt die Lage des Pfarreivermögens der Klägerin im Besonderen dar und legt das Haushaltsblatt und den Kontoauszug der ZPV für die Klägerin vor. Sie vertieft die rechtliche Darstellung aus dem angefochtenen Bescheid der Kirchenverwaltung vom 13.08.2012 und bestreitet weiterhin einen Stiftungscharakter des Pfarreivermögens der Klägerin. Außerdem reichten die Erträge des Pfarreivermögens der Klägerin nicht aus, um die Kosten einer 0,5 Stelle zu decken.
Schließlich hat die Beklagte ein Urteil des Rechtshofs der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen vom 11.09.2009 Az Konf R 2/08) in einer Sache Landesbergen./.Landeskirche vorgelegt, die einen in Ausgangssituation und Interessenlage vergleichbaren Fall betrifft.
Auf Anfrage des Gerichts hat die Beklagte die rechtlichen und sachlichen Gegebenheiten bei der Pfarrstellenaufstockung in der D-Gemeinde dargelegt und betont, dass in diesem und einem vergleichbaren Fall die Aufstockung nicht aus kirchlichen Mitteln sondern aus Mitteln Dritter finanziert wurde.
Die Klägerin weist dazu in ihrem Schriftsatz vom 28.08.2013 darauf hin, dass ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung zu besorgen sei, wenn zwar die Gemeinde D, nicht aber die Klägerin eine 0,5 Stelle über dem Stellenplan zugewiesen erhalte. Sie legt ein Gutachten zu den historischen Bedingungen der Pfarrbesoldung in A vom 08.08.2013 von Dr. F vor, in dem insbesondere Einzelheiten eines „Competenzbuches“ von 1565 und die Gegebenheiten der Lebenshaltung der A Pfarrer im 17., 18., und 19. Jahrhundert punktuell dargestellt werden.
Die Klägerin und die Beklagte haben schließlich noch in Schriftsätzen vom 17.09. und 18.09. sowie in der mündlichen Verhandlung am 20.09.2013 ihre Auffassungen bekräftigt. Die Klägerin weise dabei darauf hin, dass die Erträge ihres Pfarreivermögens ausreichen, um eine 0,3 Pfarrstelle besetzen zu können. In §§ 4 und 5 der Zuweisungsverordnung fänden sich innerkirchrechtliche Lösungsansätze auch für ihren Fall. Die Beklagte meint, dass die Klägerin sich nicht aus dem für die Pfarrbesoldung praktizierten Solidarsystem aller Kirchengemeinden auskoppeln dürfe.
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Entscheidungsgründe:

Die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist zulässig. Obwohl eine Rechtsmittelbelehrung im angefochtenen Bescheid nicht enthalten war, ist sie vor Ablauf der Monatsfrist nach Zugang des Bescheids erhoben worden.
Die Klage ist jedoch nicht begründet.
Der angefochtene Bescheid erweist sich im Ergebnis als rechtmäßig. Die Klägerin kann ihr (durchaus verständliches und nachvollziehbares) Ziel einer eigenen bei ihr auch örtlich angesiedelten Pfarrstelle auf dem von ihr beabsichtigten Weg nicht erreichen.
1. Auf welchem Weg und durch wen in der EKHN Pfarrstellen errichtet, verändert und aufgehoben werden können, regelt allein das Pfarrstellengesetz vom 26.11.2003 (PfStG) in der Fassung vom 24.11.2012 (Rechtssammlung 400). Ausgangspunkt ist dabei der von der Kirchensynode beschlossene Stellenplan (§ 2 Abs. 1). Von den dort ausgewiesenen gemeindlichen Pfarrstellen teilt die Kirchenleitung (KL) jedem Dekanat ein Stellenbudget für die gemeindlichen Pfarrstellen im Dekanatsgebiet zu (§ 2 Abs. 2).
Bei der Ermittlung dieses Stellenbudgets werden allein die Mitgliederzahlen und Flächengrößen berücksichtigt (§ 2 Abs. 3). Sodann fällt dem Dekanatssynodalvorstand (DSV) die Aufgabe zu, aus diesem Stellenbudget Pfarrstellen bei den Gemeinden in seinem Gebiet zu errichten, zu verändern und aufzuheben (§ 3 Abs. 1). Er handelt dabei im Einvernehmen mit der KL und im Benehmen mit den Kirchenvorständen der Gemeinden seines Gebiets (§ 3 Abs. 1).
Der DSV ist es auch, der mit Genehmigung der Kirchenleitung ein Zuweisungsverfahren für die gemeindlichen Pfarrstellen unter Berücksichtigung der Mitgliederzahlen (und bei Bedarf etwaiger weiterer Merkmale) zu entwickeln hat (§ 4 Abs. 2).
Nähere Einzelheiten für die Entwicklung und den Inhalt des Zuweisungsverfahrens regelt die von der KL mit Genehmigung des Kirchensynodalvorstands erlassene Pfarrstellenverordnung vom 23.11.2012 (Rechtssammlung 402). Nach deren § 4 muss zwar die pfarramtliche Versorgung aller Gemeinden des Dekanats sichergestellt sein und soll aber bei einer vollen Pfarrstelle eine Mitgliederzahl von 1.500 in der Regel nicht unterschritten werden.
Nach diesem geschlossenen System erfolgt daher die Schaffung (nach der gesetzlichen Terminologie Errichtung und Zuweisung) einer gemeindlichen Pfarrstelle niemals durch eine Gemeinde selbst sondern ausschließlich durch den DSV. An dem dazu gehörigen Verfahren ist zwar die Kirchenleitung gewichtig beteiligt. Sie könnte aber keinesfalls einer einzelnen Gemeinde gestatten, selber eine eigene Pfarrstelle zu errichten und sich zuzuweisen.
Zum von der Klägerin gewählten Terminus „fremdfinanziert“ vergleiche weiter unter bei 3.
2. Für ihren hilfsweise gestellten Verpflichtungsantrag fehlt es der Klägerin in vergleichbarer Weise und aus dem gleichen Grund an einer Rechtsgrundlage. Auch dabei gilt, dass die Beklagte nur im weiteren Sinn für die Einrichtung und Zuweisung gemeindlicher Pfarrstellen mitzuständig ist, nämlich im Zusammenwirken von KL auf gesamtkirchlicher Ebene und DSV auf Dekanatsebene, die förmliche Entscheidung des Einzelfalls aber durch den DSV auf der Dekanatsebene fällt.
Die Fragen von Errichtung und Zuweisung gemeindlicher Pfarrstellen ist in der EKHN weder gänzlich zentralisiert noch steht sie zur Disposition der einzelnen, sich selbst verwaltenden Gemeinde, sondern wird letztlich auf der sogenannten mittleren Ebene, nämlich der des Dekanats, getroffen. Das Verfahren zur Zuweisung von Pfarrstellen an einzelne Gemeinden hindert daher die Beklagte auch daran, die Klägerin von sich aus mit einer (ganzen oder halben) Pfarrstelle auszustatten. Die Beklagte kann allenfalls Einfluss nehmen auf die Entscheidungen des DSV im Einzelfall im Rahmen der Herstellung des nach § 3 Abs. 1 PfStG notwendigen Einvernehmens zwischen KL und DSV für die Errichtung und Zuweisung einer einzelnen gemeindlichen Pfarrstelle sowie bei Erteilung der nach § 4 Abs. 2 PfStG notwendigen Genehmigung des vom Dekanat beschlossenen Zuweisungsverfahrens.
Es ist dabei davon auszugehen, dass die KL und damit die EKHN als Gesamtkirche dabei sachgerecht auf das Erreichen des Ziels einer flächendeckenden pfarramtlichen Versorgung aller Gemeinden hinwirkt und zugleich darüber wacht, dass keine Gemeinde zu kurz kommt.
3. Zu Unrecht verwendet die Klägerin für den von ihr beabsichtigten Einsatz von Erträgen ihres Pfarreivermögens zur Besoldung einer von ihr beanspruchten Pfarrstelle die Bezeichnung einer „Fremdfinanzierung“. Denn sehr viel weniger fremd als Mittel aus dem eigenen Pfarreivermögen können Finanzmittel des kirchlichen Bereichs kaum sein. Vielmehr sind das Pfarreivermögen und seine Erträge ausdrücklich für die Pfarrbesoldung zweckbestimmt (§ 2 Abs. 2 KHO (800); § 8 Grundvermögensordnung (801); § 3 Abs. 2 Gesetz für zentrale Pfarreivermögensverwaltung (803)). Insoweit hat die EKHN an der ursprünglichen Zweckbindung von Mitteln des Pfarreivermögens durchaus festgehalten.
Allerdings ist das aus Mittelalter überkommene System der Pfarrbesoldung aus den den Gemeinden dazu dienenden Pfründen seit geraumer Zeit abgelöst. Denn aus der strengen Durchführung dieses Systems ergab sich eine für das neuere Rechtsdenken nicht tragbare Verschiedenheit bei der Besoldung der Geistlichen (Abhängigkeit von der Ergiebigkeit der jeweiligen Pfründe: Geschicklichkeit bei deren Verwaltung etc.) (Vgl. Kracker v. Schwartzenfeldt in EKL, 1962 I 414 ff).
Besonders deutlich sichtbar wird das an den Vorschriften in der Verordnung über die Überlassung von Teilen des Pfarreivermögens an Pfarrer vom 26.10.1959 (605), die grundsätzlich nur gegen angemessene Bezahlung vorgenommen werden darf.
Mit der Vereinheitlichung und Zentralisierung der Pfarrbesoldung geht deshalb einher eine Vergemeinschaftung der Erträge allen Pfarreivermögens zur Absicherung der Besoldung aller Pfarrer der gesamten EKHN, die davon und von Einnahmen aus Kirchensteuern nur so nach einheitlichen Maßstäben für alle vorgenommen werden kann. Zu Recht hat die Beklagte insoweit auf die Verpflichtung der Klägerin zur Solidarität mit anderen Gemeinden nach Art 11KO hingewiesen.
4. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass die Erträge aus dem Pfarreivermögen der Klägerin kaum dafür ausreichen würden, um eine 0,5 Pfarrstelle längerfristig zu finanzieren. Dies zeigt, dass auch die Klägerin auf die Solidarität anderer Gemeinden und der Gesamtkirche angewiesen ist, aus der sie sich deshalb auch nicht einfach selbst verabschieden darf.
5. Die Klägerin kann der Beklagten auch nicht mit Erfolg einen Verstoß gegen ein Gleichbehandlungsgebot vorwerfen. In dem eingangs erwähnten Fall der D-Gemeinde war eine Pfarrstellenaufstockung nur deshalb möglich, weil es sich dort um eine verbindliche Zusage von wirklichen Fremdmitteln von Seiten eines dazu gegründeten Vereins des bürgerlichen Rechts handelt. Damit sind die Erträge aus dem Pfarreivermögen der Klägerin nicht entfernt vergleichbar.
Die Entscheidung über die Nichterhebung gerichtlicher Kosten und Auslagen für das Verfahren beruht auf § 36 KVVG. Ihre eigenen außergerichtlichen Kosten hat die Klägerin als unterlegene Partei gemäß § 38 KVVG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen.