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Kirchengericht:Kirchliches Verfassungs- und Verwaltungsgericht der EKHN
Entscheidungsform:Urteil (rechtskräftig)
Datum:15.06.2012
Aktenzeichen:KVVG I 1/12
Rechtsgrundlage:Art. 3 GG; Art. 63 KO; §§ 1,11 KBauG; §§ 6,19,36,38 KVVG; §§ 17,17b GVG, § 154 VwGO
Vorinstanzen:
Schlagworte:, Antragsbefugnis, Auslegung kirchlichen Rechts, Drittschützender Charakter, Subjektive Rechte
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Leitsatz:

1. Das Kirchliche Verfassungs- und Verwaltungsgericht der EKHN ist gemäß Art. 63 Abs. 1 KO nur zur Auslegung kirchlichen Rechts berufen.
2. Nichtmitglieder der Kirche sind nur antragsbefugt im Sinne des § 6 Nr. 3 KVVG, wenn ihnen Normen des kirchlichen Rechts ausdrücklich und zweifelsfrei subjektive Rechte gewähren.

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Für das Verfahren werden Gebühren und Auslagen nicht erhoben.
Die außergerichtlichen Kosten hat der Kläger zu tragen.
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Tatbestand:

Das Grundstück des Klägers grenzt unmittelbar an einen Fußweg und Treppenaufgang zur Ev. Kirche in A. an, wobei die Parteien darüber streiten, ob es sich um einen Durchgangsweg handelt. Auf diesem Fußweg stehen seit April 2009 drei Straßenlaternen, die von der Stadt A. errichtet wurden und von ihr betrieben werden und die so lange wie die Straßenbeleuchtung der Stadt A. brennen. Eine weitere baugleiche Laterne befindet sich am Beginn des Fußwegs auf der A-Straße. Insbesondere die drei eingangs erwähnten Laternen leuchten in der Nacht nach der Darstellung des Klägers in erheblichem Umfang sein Grundstück und das Wohngebäude aus.
Die Beleuchtungssituation war Gegenstand eines umfangreichen Schriftwechsels zwischen dem Kläger und der Beklagten, teilweise unter anwaltlicher Beteiligung. Am 28.10.2009 fand zudem ein Ortstermin mit den Beteiligten statt. Im Rahmen der vorprozessualen Auseinandersetzung wurden an den drei Laternen auf dem Kirchengelände Verblendungen angebracht; zudem wurde eine Laterne versetzt. Eine endgültige Einigung erzielten die Beteiligten nicht.
Der Kläger war zum Zeitpunkt der Errichtung der Laternen Mitglied der Evangelischen Kirchengemeinde A. Nach Darstellung der Beklagten ist er nunmehr nicht mehr Kirchenmitglied. Die Antwort auf die Frage, ob er noch Kirchenmitglied sei, hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 15.06.2012 verweigert.
Im Januar 2011 reichte der Kläger Klage bei dem Kirchlichen Verfassungs- und Verwaltungsgericht ein mit dem Ziel festzustellen, dass Errichtung und Betrieb der Laternen rechtswidrig sei; zudem sei die Ev. Kirchengemeinde A. verpflichtet, die Laternen unverzüglich entfernen zu lassen. Auf rechtlichen Hinweis des Vorsitzenden nahm der Kläger die Klage mit einem am 09.02.2011 eingegangenen Schriftsatz zurück.
Mit einer erneuten, am 02.01.2012 eingegangenen Klage begehrt der Kläger nunmehr Beseitigung der Laternen auf dem Kirchengelände sowie 1800 € Entschädigung nebst Zinsen und Ersatz der ihm entstandenen Aufwendungen.
Der Kläger hält die Beleuchtung des Fußwegs für völlig überdimensioniert. Art und Umfang der Beleuchtung sei Energieverschwendung und verstoße gegen § 11 Kirchenbaugesetz sowie gegen die Richtlinien für die Berücksichtigung ökologischer und energiesparender Gesichtspunkte bei Baumaßnahmen. Zudem stehe Errichtung und Betrieb der Straßenlaternen auf dem Grundstück der Kirche als Maßnahme der Kirchenbaulast nicht im Einklang mit der Hessischen Verfassung und dem Grundgesetz; das Gebot der Trennung von Staat und Kirche werde verletzt. Im Übrigen hätten sowohl das erwähnte Baugesetz wie auch die Richtlinie drittschützenden Charakter, müssten aber auf jeden Fall auch hier angewandt werden, weil sonst Art. 3 GG verletzt werde. Schließlich könne er für die von den Laternen ausgehenden Lichtemissionen für die Zeit vom April 2010 bis März 2011 1800 € Entschädigung verlangen.
Nach Hinweis des Vorsitzenden beantragt der Kläger seinen ursprünglichen Antrag konkretisierend nunmehr,
1. Die evangelische Kirche A. wird verurteilt, die rechtswidrig errichteten und betriebenen Straßenlaternen auf dem Kirchengelände unverzüglich entfernen zu lassen.
2. Die evangelische Kirche A. wird verurteilt, dem Kläger 1800 € zuzüglich Verzugszinsen ab dem 3. Mai 2011 zu bezahlen.
3. Die evangelische Kirche A. wird verurteilt, dem Kläger die entstandenen Aufwendungen zu ersetzen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die Klage aus mehreren Gründen für unzulässig. Der Rechtsweg zum Kirchengericht sei nicht gegeben, die Antragsfrist des § 19 Abs. 2 KVVG verstrichen. Weder das Kirchenbaugesetz noch die Öko-Richtlinien hätten zudem drittschützenden Charakter zugunsten von Grundstücksnachbarn oder Kirchenmitgliedern; dem Kläger fehle die Antragsberechtigung gemäß § 6 Nr. 3 KVVG. Der Kläger könne nur vor einem staatlichen Gericht klagen. Abgesehen von alledem seien die Anträge des Klägers auch unbegründet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:

Die Klage in der mit Schriftsatz vom 20.01.2012 und der mündlichen Verhandlung konkretisierten Fassung ist unzulässig.
Soweit sich die Klage auf Normen des allgemeinen Privatrechts oder des öffentlichen Immissionsschutzrechts stützt oder stützen könnte, ist der Rechtsweg zum Kirchlichen Verfassungs- und Verwaltungsgericht nicht gegeben. Das Kirchengericht ist gemäß Art. 63 Abs.1 KO nur zur Auslegung kirchlichen Rechts berufen (vgl. auch Art. 140 GG, 137 Abs. 3 WRV). Dazu gehören Vorschriften des staatlichen Privatrechts oder des öffentlichen Rechts nicht. Eine Verweisung des Rechtsstreits an die staatliche Gerichtsbarkeit kommt nicht in Betracht, Die §§ 17 bis 17 b GVG finden keine Anwendung auf das Verhältnis von staatlicher und nichtstaatlicher Gerichtsbarkeit. Dies gilt sowohl für eine Verweisung durch das staatliche Gericht an das Kirchengericht (vgl. dazu Bay. VGH, Beschluss vom 23.03.1998 – 3 C 97.2767 –, KirchE 36, 105; BVerwG, Urteil vom 28.04.1994 – 2 C 23/92 –, KirchE 32, 148) als auch umgekehrt für eine Verweisung durch das Kirchengericht an das staatliche Gericht (KVVG, Urteil vom 18.05.2001 – II 1/01 –, Amtl. Sammlg. Nr. 122).
Die Klage ist aber auch unzulässig, soweit sich der Kläger auf § 11 Kirchenbaugesetz oder die Richtlinien für die Berücksichtigung ökologischer und energiesparender Gesichtspunkte bei Baumaßnahmen (Öko-Richtlinien) beruft. Der Kläger ist nicht antragsbefugt im Sinne des § 6 Nr. 3 KVVG, weil seine „rechtlichen Interessen“ im Sinne einer Rechtsverletzung, nicht eines sonstigen wie auch immer gearteten Interesses, nicht berührt sind. Der Kläger ist weder Kirchenmitglied noch enthalten die von ihm herangezogenen Normen subjektive Abwehrrechte.
Von der fehlenden Mitgliedschaft ist die Kammer nach dem Parteivortrag und dem Gang der mündlichen Verhandlung vom 15.06.2012 überzeugt. Schriftsätzlich hat sich der Kläger lediglich darauf berufen, er sei bei der Errichtung und Inbetriebnahme der Laternen Mitglied der Kirchengemeinde A. gewesen, während die Beklagte schon in der Klageerwiderung darauf hingewiesen hat, dass der Kläger nicht mehr Kirchenmitglied ist. Die Antwort auf die Frage des Vorsitzenden, ob er noch Kirchenmitglied sei, hat der Kläger mit der Begründung verweigert, er könne die Relevanz der Frage für den vorliegenden Rechtsstreit nicht erkennen. Aber auch nachdem ihm der rechtliche Zusammenhang erläutert wurde, hat der Kläger die Antwort verweigert, im Laufe der mündlichen Verhandlung aber immer darauf hingewiesen, er sei bei Errichtung und Inbetriebnahme – noch – Mitglied gewesen. Daraus schließt die Kammer, dass der Kläger die Antwort nur deshalb verweigert hat, weil er hätte offenbaren müssen, dass er aus der evangelischen Kirche ausgetreten ist.
Von diesem Sachverhalt ausgehend stellt die Kammer fest, dass keine Normen des kirchlichen Rechts ersichtlich sind, die dem Kläger als Nichtmitglied der Kirche subjektive Rechte einräumen. Da sich kirchliche Vorschriften naturgemäß zunächst nur an Kirchenmitglieder richten und deshalb nur sie klagebefugt sein können, müssten solche Normen, aus denen auch Nichtmitglieder subjektive Rechte herleiten können, dies ausdrücklich und zweifelsfrei festlegen. Daran fehlt es hier, weil weder Kirchenbaugesetz noch Öko-Richtlinien auch nur ansatzweise zum Ausdruck bringen, Nichtmitgliedern der Kirche subjektive Rechte einräumen zu wollen. Vielmehr ist generell davon auszugehen, dass weder § 11 Kirchenbaugesetz noch die Öko-Richtlinien überhaupt nachbarschützenden Charakter haben und so zur Begründung entsprechender subjektiver Rechte geeignet sind.
§ 11 Kirchenbaugesetz weist lediglich in allgemeiner Form darauf hin, dass bei allen kirchlichen Baumaßnahmen die architektonischen, bautechnischen, künstlerischen, wirtschaftlichen und ökologischen Belange „zu berücksichtigen“ sind. Diese breite Aufzählung und die Überschrift dieses Paragraphen „Allgemeine Grundsätze“ zeigen deutlich, dass es sich um eine allgemeine Normierung mit Appellcharakter handelt, nicht aber um die Einräumung subjektiver Rechte. Auch § 1 dieses Gesetzes, der den Geltungsbereich festlegt, gibt dafür keinen Anhaltspunkt und schon gar nicht für konkrete Beseitigungs-, Entschädigungs- oder Aufwendungsersatzansprüche.
Gleiches gilt im Ergebnis für die Auslegung der Öko-Richtlinien, auf die sich der Kläger weiterhin beruft. Insbesondere aus III. 5.5 der Richtlinien (Minimierung des elektrischen Energieverbrauchs) ergeben sich keine subjektiven Rechte für Grundstücksnachbarn. Schon dem Wortlaut nach ist ein entsprechender Zweck der Vorschrift nicht erkennbar. Im Übrigen werden Aufgaben und Ziele der Richtlinie in deren Abschnitt I festgelegt, dessen Satz 13 lautet: „Über die Maßnahmen zur Umsetzung dieser Richtlinien hat der ausführende Architekt dem Bauherrn und der kirchlichen Baubetreuung detailliert Rechenschaft zu geben.“ Dies macht deutlich, dass es sich hier um eine innerkirchliche Organisationsvorschrift handelt, aus der Dritte keine subjektiven Rechte herleiten können, seien sie Kirchenmitglieder oder nicht. Sonstige Vorschriften, die subjektive Rechte von Nachbarn von Kirchengrundstücken im hier interessierenden Zusammenhang begründen könnten, sind nicht ersichtlich, wobei es im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung nicht mehr darauf ankommt, ob die Beklagte Betreiberin der umstrittenen Beleuchtungsanlage ist oder die Stadt A.
Für das Verfahren werden Gebühren und Auslagen nicht erhoben (§ 36 Satz 1 KVVG). Als unterliegender Teil hat der Kläger die außergerichtlichen Kosten zu tragen (§§ 38 KVVG, 154 Abs.1 VwGO).