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Kirchengericht:Kirchliches Verfassungs- und Verwaltungsgericht der EKHN
Entscheidungsform:Urteil (rechtskräftig)
Datum:01.12.1998
Aktenzeichen:KVVG I 33/98
Rechtsgrundlage:§§ 1,3,4 EG; § 8 ÜbVO; § 2 AuswahlVO; § 1 KandO; § 2 PfG; § 38 KVVG; § 154 VwGO
Vorinstanzen:
Schlagworte:Anstellungsfähigkeit, Auswahlverfahren, Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, Pfarrdienst auf Probe, Vertrauensschutz, Wartezeit, Übernahmeanspruch, Übernahmeverfahren
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Leitsatz:

1. Niemand hat einen Anspruch darauf, nach Abschluss seiner Ausbildung in ein öffentlichrechtliches Dienstverhältnis, sei es nach staatlichem oder kirchlichem Recht, übernommen zu werden.
2. Dem berechtigten Vertrauen in den Fortbestand eines Gesetzes und dementsprechendem Verwaltungshandeln stehen der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers und der Handlungsspielraum der Verwaltung gegenüber. Es ist eine Abwägung zwischen begründetem Vertrauen einerseits und der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens andererseits vorzunehmen.

Tenor:

Die Klage des Klägers A. wird abgewiesen.
Gebühren und Auslagen werden nicht erhoben.
Die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits, soweit sie die Klage des Klägers A. betreffen, hat dieser zu tragen.
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Tatbestand:

Der Kläger erstrebt seine Übernahme als Pfarrvikar in ein Dienstverhältnis auf Probe gemäß den Bestimmungen des Erprobungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 03.05.1995 und der Übernahmeverordnung vom 14.12.1993.
I.
Das Kirchengesetz zur Erprobung neuer dienstrechtlicher Regelungen für Pfarrer (Erprobungsgesetz, im folgenden abgekürzt „EG“) wurde angesichts der gestiegenen Zahl junger examinierter Theologen am 15.03.1985 erlassen. Nach seinem § 1 sollte es dem Ziel dienen, „in den nächsten Jahren eine zunehmende Zahl von anstellungsfähigen Theologen im kirchlichen Dienst beschäftigen zu können“. Es bezog sich sowohl auf die Aufnahme nach der Ersten Theologischen Prüfung in den praktischen Vorbereitungsdienst, der seinen Schwerpunkt in den Theologischen Seminaren in D-Stadt und E-Stadt hatte – dort wurden jährlich insgesamt 100 Vikare ausgebildet – als auch auf die Übernahme als Pfarrvikar nach der Zweiten Theologischen Prüfung in ein Dienstverhältnis auf Probe.
Das Gesetz war bis zum 31.12.1992 befristet und sah in § 4 vor:
Abs. 1 Die Zahl der Bewerber, die als Pfarrvikar in ein Dienstverhältnis auf Probe übernommen werden können, richtet sich nach der Zahl der freien Pfarr- und Pfarrvikarstellen, deren Finanzierung gesichert ist. ...
Abs. 2 Übersteigt die Zahl der Bewerber die festgesetzte Zahl der besetzbaren Stellen, wird die Übernahme durch ein besonderes Verfahren ... geregelt.
Obwohl das EG in § 3 Abs. 3 ebenso wie § 1 Abs. 4 der Kandidatenordnung vom 24.06.1974 bestimmte, dass kein Rechtsanspruch auf Übernahme in den Pfarrdienst bestand, wurden bis auf ganz wenige Ausnahmen, in denen die Anstellungsfähigkeit nicht zuerkannt wurde – alle Vikare und Vikarinnen nach Beendigung ihres Vorbereitungsdienstes, wenn auch nach Wartezeiten, in den Pfarrdienst auf Probe übernommen.
Das EG, zu dem auch eine Übernahmeverordnung erging, wurde im Juni 1991 bis zum 31.12.1995 verlängert.
Die Übernahme aller Vikare und Vikarinnen führte jedoch angesichts der begrenzten Zahl zu besetzender Stellen zu Schwierigkeiten. Um diesen zu begegnen, wurde das EG am 24.04.1993 novelliert und gleichzeitig bis zum 31.12.1996 verlängert.
Die Novellierung in Verbindung mit der neuen Rechtsverordnung zur Übernahme als Pfarrvikar oder Pfarrvikarin vom 14.12.1993 (Übernahmeverordnung – ÜbVO) führte das „Drittelmodell“ ein. Danach wurden „nach der Zahl der jeweiligen Bewerber“ ein Drittel volle Einstellungsplätze, ein Drittel volle Einstellungsplätze mit einer Wartezeit von zwei Jahren nach dem Ende der Ausbildung und ein Drittel halbe Einstellungsplätze zugeteilt (§ 8 Abs. 1 ÜbVO). In diesem Zusammenhang wurden die Ausbildungsplätze im Vorbereitungsdienst auf 48 Plätze beschränkt. Dies bedeutete, dass zwischen der Ersten Theologischen Prüfung und der Aufnahme in den Vorbereitungsdienst eine Wartezeit entstand, die nach § 3 Abs. 2 der Aufnahmeverordnung vom 14.06.1994 mindestens ein halbes und höchstens fünf Jahre betragen konnte.
Durch diese Neuregelung sollte erreicht werden, dass weiterhin alle Vikare und Vikarinnen in den Pfarrdienst übernommen werden könnten.
Der Personalreferent Oberkirchenrat E. erklärte hierzu auf der 4. Tagung der Achten Synode, die vom 29.11. bis 03.12.1993 stattfand:
„Das heißt, dass jeder, der derzeit Lehrvikarin oder Lehrvikar ist oder jetzt in die Ausbildung noch hineinkommt und die Anstellungsfähigkeit erlangt, dann auf diese Weise eingestellt wird.“
In gleichem Sinn erklärte Kirchenpräsident F. auf dieser Synode:
„jeder, der hineinkommt, wird übernommen“,
(Verhandlungen der Kirchensynode, 4. Tagung, Achte Synode, Seiten 56 und 130).
Im Frühjahr 1995 sah sich die Kirchenleitung/Kirchenverwaltung wegen der erreichten großen Pfarrerdichte in der EKHN, der knapper werdenden Kirchensteuereinnahmen („Ressourcenproblem“) und zahlreicher Inhaber halber Stellen, die auf volle Stellen drängten, vor eine neue Situation gestellt. Sie beabsichtigte, einen Gesetzesentwurf zur Novellierung des Erprobungsgesetzes, der eine Änderung der Einstellungspraxis vorsah, einzubringen.
Hierüber unterrichtete die Kirchenverwaltung mit einem Schreiben vom 29.09.1995 die „Interessenvertretung nichtordinierter Theologinnen (InNOT)“, die sich im März 1995 gebildet hatte, um die Interessen der Wartenden vor dem Vikariat zu vertreten. Dem Schreiben, das eine Einladung auf den 9. Oktober 1995 zu einer „Konsultationstagung zum Erprobungsgesetz“ enthielt, an dem auch Vertreter des Delegiertenrates der Studierenden und des Rates der Vikarinnen und Vikare teilnehmen sollten, war die von der Kirchenverwaltung ausgearbeitete Gesetzesvorlage nebst einigen Erläuterungen beigefügt. In der Erläuterung zu § 4 Abs. 1 EG hieß es u. a.: „Es ist davon auszugehen, dass künftig nach Maßgaben der Personal- und Stellenplanung ein Teil der Bewerber nicht eingestellt werden kann.“
Auf der Dezember-Synode 1995 (10. Tagung der Achten Synode) brachte die Kirchenleitung diesen Gesetzesentwurf, der vorsah, dass nicht mehr alle Vikare und Vikarinnen übernommen werden, in das Gesetzgebungsverfahren ein (Drucksache Nr. 86/95). Nach ihm sollte die Zahl der Bewerber, die als Pfarrvikar in ein Dienstverhältnis auf Probe übernommen werden könnten, von der Kirchenleitung für jedes Kalenderjahr neu festgestellt werden.
Oberkirchenrat E. erklärte hierzu vor der Synode, im Pfarrdienst müssten anteilig 15 Millionen DM an laufenden Jahreskosten eingespart werden. Die Gesamtzahl der Pfarrerinnen und Pfarrer müsse in den nächsten Jahren deutlich verringert werden. Es ginge dabei nicht nur um ein finanzielles Problem, sondern auch um die Anpassung an die Gesamtentwicklung der Mitgliedschaft unserer Kirche. Dies ginge in wirksamer Weise nur so, dass für einige Jahre die Zahl der Neueinstellungen begrenzt werde. Oberkirchenrat G. erläuterte die geplante Änderung ergänzend dahin, dass die Zahl der möglichen Einstellungen im Jahr sich nicht mehr allein nach der Zahl der freien und finanzierbaren Stellen richten, sondern von der Kirchenleitung festgestellt werden sollte, weil sie auch den Gesamtpersonalbestand der Personen im Pfarrdienst berücksichtigen müsse (Verhandlungen der Kirchensynode, 10. Tagung, Achte Synode, S. 200, 201, 204). Die Änderung des EG sollte am 01.08.1996 in Kraft treten, und das EG sollte nach dem Entwurf bis 31.12.2000 verlängert werden.
In dem Rundbrief 1/1996, den das Referat Personalförderung im März 1996 u. a. an die Interessengemeinschaft InNOT sandte, wurde die vorgesehene Novellierung des Erprobungsgesetzes ebenfalls angesprochen. Es heißt dort: „Die Kirchenleitung geht aufgrund der zu erwartenden Finanzentwicklung davon aus, dass es nicht mehr möglich sein wird, alle anstellungsfähigen Theologinnen und Theologen in den Pfarrdienst zu übernehmen.“
Am 18. Mai 1996 fand ein von der Interessengemeinschaft InNOT veranstalteter Studientag statt. In der Einladung der Interessengemeinschaft zu diesem Studientag heißt es u. a.:
„Zur Sommersynode 1996 soll eine erneute Novellierung des Erprobungsgesetzes der Landessynode der EKHN vorgelegt werden.
Erstmalig ist es nicht mehr das Ziel des Erprobungsgesetzes, eine zunehmende Zahl von Theologinnen und Theologen zu beschäftigen. Statt dessen soll nach einer jährlichen Quote über die Einstellung entschieden werden. ...
Für die Wartenden vor dem Vikariat hat dies möglicherweise zur Konsequenz, dass trotz Wartezeiten Arbeitslosigkeit droht und keine Möglichkeit gegeben ist, sich mit den theologischen Qualifikationen im kirchlichen Bereich zu bewerben. ...“
Auf eine bereits von InNOT am 29.08.1995 erfolgte Bitte hielt Oberkirchenrätin H. auf diesem Studientag ein Referat, in dem sie zu „Aufgaben der Personal- und Organisationsentwicklung der EKHN“ u. a. ausführte:
„Es gibt keine Alternative zur Reduktion von Pfarrstellen in den nächsten Jahren.
Es gibt keine Alternative zur Begrenzung von Neueinstellungen in den nächsten Jahren aufgrund des Verhältnisses von Mitgliederentwicklung und Bewerberinnen für ein Pfarramt ...“
InNOT stellte das schriftlich abgefasste Referat Interessenten zur Verfügung.
In dem von InNOT herausgegebenen Mitteilungsblatt „Zwischen den Stühlen“ vom Juni 1996 wies InNOT auf die vom 28. bis 30. Juni 1996 in Mainz stattfindende nächste Synode hin, auf der die Änderung des Erprobungsgesetzes in zweiter und dritter Lesung verhandelt würde, und erklärte es für wichtig, dass alle Betroffenen zwecks Gesprächsanbahnungen mit Synodalen dort erscheinen könnten.
Auf dieser 12. Tagung der Achten Kirchensynode in F-Stadt, auf der Jungtheologen ihren Protest demonstrativ zum Ausdruck brachten, wurde die beabsichtigte Änderung in der 2. Lesung sehr kontrovers diskutiert. Der Theologische Ausschuss und der Ausschuss für Arbeit und Soziales waren mit dem Gesetzesentwurf nicht einverstanden. Daraufhin kam es zu einem „Kompromiss“: Das Erprobungsgesetz wurde unverändert bis zum 31.12.1997 verlängert. Die Zeit bis dahin sollte genutzt werden, eine Neuregelung des Einstellungsverfahrens herbeizuführen.
(Verhandlungen der Kirchensynode, 12. Tagung, Achte Synode, Seiten 33, 34, 35, 79, 80).
Auf der Synode im April 1997 (14. Tagung der Achten Synode) brachte die Kirchenleitung in Ausführung des F-Stadter „Kompromisses“ den Entwurf eines Kirchengesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Regelungen (Dienstrechtsänderungsgesetz DÄndG) ein. Dieses Gesetz sollte nach dem Ablauf der Geltungsfrist des Erprobungsgesetzes (31.12.1997) Regelungen des EG, die sich bewährt hatten, in dauerhaft geltendes Recht überführen. Die Übernahme als Pfarrvikar in ein Dienstverhältnis auf Probe sollte auf der Basis, dass nicht mehr alle Vikare und Vikarinnen übernommen werden, in das Pfarrergesetz aufgenommen werden. Es sollte jeweils ein durch Rechtsverordnung auszugestaltendes Auswahlverfahren stattfinden.
Auf der Synode im Dezember 1997 (16. Tagung der Achten Kirchensynode) wurde der Entwurf des Dienstrechtsänderungsgesetzes mit der Bestimmung, dass es am 01.01.1998 in Kraft tritt, am 05.12.1997 verabschiedet. Ein Antrag der Dekanatssynode A., der das Ziel verfolgte, für den Vikarskurs I/96 eine Übergangsvorschrift (Übernahme der Vikare dieses Kurses nach altem Recht, d. h. Übernahme aller) zu beschließen, hatte keinen Erfolg. Das DÄndG wurde im Amtsblatt vom 01.02.1998 veröffentlicht (ABl. 1998, S. 49 ff.).
Die zu dem im DÄndG neu geschaffenen § 58a Pfarrergesetz erlassene Rechtsverordnung zur Regelung des Auswahlverfahrens – Auswahlverordnung – vom 28.04.1998 (ABl. 1998, S. 168 ff.) bestimmt in § 2, dass die Kirchenleitung jährlich die Zahl der Einstellungsplätze für Pfarrvikare und Pfarrvikarinnen festlegt. Für das Haushaltsjahr 1999 wurde die Zahl auf fünf Einstellungsplätze festgesetzt (ABl. 1998, S. 248). Außerdem werden zehn Teildienstverhältnisse, die unter dem EG begründet wurden, zu vollen Stellen aufgestockt. Darüber hinaus hat die Beklagte den Vikarskurs 1/1996 gemäß dem Urteil des Kirchlichen Verfassungs- und Verwaltungsgericht vom 22.07.1998 zu übernehmen.
II.
Der 1964 geborene Kläger begann sein Theologiestudium im Herbst 1984 und legte die Erste Theologische Prüfung im Sommer 1994 ab. Die Zuteilung eines Ausbildungsplatzes im Vorbereitungsdienst wurde ihm bis spätestens zum 01.09.1999 zugesagt.
Zur Überbrückung der Wartezeit arbeitete der Kläger vom 24.10.1994 bis 31.12.1995 und vom 11.03.1996 bis 15.08.1996 beim Arbeitsamt in C-Stadt.
Auf eine Anfrage vom 30.08.1995 erhielt der Kläger von Pfarrer I., der im Referat Personalförderung tätig war, am 27.09.1995 eine Antwort, in der es u. a. heißt:
„Es ist leider noch nicht definitiv absehbar, ob sich Ihre Wartezeit verkürzt. ...
Eine Informationsschrift für Wartende wird z. Zt. von unserer Kirche nicht herausgegeben. Wir werden allerdings alle Wartenden informieren, wenn sich durch die Novellierung des Erprobungsgesetzes 1996 entscheidende Änderungen der Einstellungssituation ergeben sollten.“
Im März 1996 stellte Pfarrer I. die Vikarskurse 2/96 zusammen, die am 01.09.1996 beginnen sollten. Er telefonierte deshalb mit den Wartenden, die für diese Kurse in Frage kamen, darunter auch mit dem Kläger, der bereit war, am 01.09.1996 mit dem Vikariat zu beginnen. Es ist streitig, ob bei den Telefongesprächen, die I. mit den Wartenden führte, das Risiko, nach Beendigung des Vikariats nicht als Pfarrvikar übernommen zu werden, zur Sprache kam.
Mitte Juni 1996 kamen die künftigen Vikare der Kurse 2/96 mit Pfarrer I. zusammen. Sie erhielten bei dieser Zusammenkunft von I. einen „Terminplan“, der das Datum vom 10.06.1996 trug, und in dem es u. a. heißt:
„Mündliche Prüfung 18. + 19.05.1998
Bewerbungstermin 30.05.1998
Übernahmekommission 22. – 25.06.1998
Ende des Spezialpraktikums 31.12.1998
frühester Übernahmetermin 01.01.1999“
Die Angehörigen der Vikarskurse 2/96, darunter der Kläger, legten gemäß diesem Terminplan im Mai 1998 die Zweite Theologische Prüfung ab. Wegen der seit 01.01.1998 geänderten Rechtslage sieht sich die Beklagte jedoch nicht imstande, die Vikare in der bisherigen Weise, wie es unter der Geltung des Erprobungsgesetzes der Fall war, in ein Pfarrdienstverhältnis auf Probe zu übernehmen.
Deswegen haben von den 31 Vikaren und Vikarinnen, die im Mai 1998 ihr zweites Examen bestanden, 22 das Kirchliche Verfassungs- und Verwaltungsgericht angerufen. Von den 22 Klägern und Klägerinnen sind inzwischen in dem neuen „Auswahlverfahren“ drei ausgewählt worden, die übernommen werden.
17 Kläger und Klägerinnen haben sich auf einen gerichtlichen Vergleichsvorschlag hin verglichen. Der Vergleich hat zum Inhalt, dass vergleichsbereite Kläger und Klägerinnen endgültig auf die Übernahme in den Pfarrdienst der EKHN verzichten und zum Ausgleich eine Abfindung in Höhe von 237.500, DM brutto erhalten, wobei die Zuerkennung der Anstellungsfähigkeit und der Ordination hiervon unberührt bleibt.
Eine Klägerin hat ihre Klage zurückgenommen, um sich erneut für ein Auswahlverfahren bewerben zu können.
Der Kläger A. hat als einziger seine Klage aufrechterhalten.
Der Kläger ist der Ansicht, er habe einen Anspruch auf Übernahme als Pfarrvikar gemäß dem am 31.12.1997 außer Kraft getretenen Erprobungsgesetz und der Übernahmeverordnung vom 14.12.1993.
Diesen Anspruch leitet er in erster Linie aus dem Rechtsgrundsatz des Vertrauensschutzes her. Er weist darauf hin, dass er nach der Ersten Theologischen Prüfung die Wartezeit bis zum Beginn des Vikariats in der sicheren Erwartung, dass er nach dem Vikariat als Pfarrvikar übernommen werde, auf sich genommen habe. Diese Erwartung habe sich auf die Intention des Erprobungsgesetzes und auf die von leitenden Personen der EKHN abgegebenen Erklärungen gegründet.
Er sei auch bis zum Beginn des Vikariats nicht darauf aufmerksam gemacht worden, dass sich für ihn eine Verschlechterung der Übernahmebedingungen ergeben könnte. Die Beklagte habe ihre Aufklärungsobliegenheit verletzt. Die Beklagte hätte, um das konkrete Vertrauen des Klägers in den Fortbestand der Gesetzeslage zu beseitigen, in eindeutiger und schriftlicher Form auf die Veränderung der existentiellen Rahmenbedingungen des Klägers hinweisen müssen. Die Beklagte habe es versäumt, die konkret Betroffenen mit der erforderlichen Klarheit und Eindeutigkeit zu informieren. Was in irgendwelchen innerkirchlichen Zirkeln irgendwann einmal diskutiert worden sei, sei für ihn unmaßgeblich. Bis zu seinem Vikariatsbeginn habe allgemein Übereinstimmung bestanden, dass die Kurse, die unter der Erprobungsgesetz begonnen hätten, auch nach dessen Regelung in den Pfarrdienst übernommen würden. Insofern fehle es dem Dienstrechtsänderungsgesetz an einer Übergangsregelung.
Wäre er über die Risiken einer Übernahme in den Pfarrdienst informiert worden, so hätte er sich nach dem ersten Examen beruflich umorientiert. Von der Arbeitsverwaltung, bei der er in der Wartezeit tätig war, sei ihm ein bezahltes Studium mit der Perspektive „Arbeitsberater“ und einer späteren Übernahme in ein Beamtenverhältnis angeboten worden. Dieses Angebot habe er wegen der Aufnahme des Vikariats im Vertrauen auf die Übernahme in den Pfarrdienst abgelehnt.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, ihn nach dem Erprobungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 03.05.1995 und der Übernahmeverordnung vom 14.12.1993 in den Pfarrdienst auf Probe zu übernehmen, sofern ihm die Anstellungsfähigkeit zuzuerkennen sei.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie macht geltend, dass das Erprobungsgesetz als Zeitgesetz befristet gewesen sei, so dass die Erwartung, es werde unverändert verlängert, keine Grundlage für ein geschütztes Vertrauen hätte sein können.
Auch sei der Kläger, als er im März 1996 wegen des Eintritts in den Vorbereitungsdienst gefragt worden sei und diesen am 1. September 1996 begonnen habe, über das Risiko einer Änderung der Rechtslage und der Einstellungspraxis im Bilde gewesen.
Schließlich beruft sich die Beklagte darauf, dass sie wegen des Pfarrerüberhangs in der EKHN, der zurückgehenden Zahl der Kirchenmitglieder und der zukünftig zu erwartenden Verminderung der Kirchensteuereinnahmen zu einer Änderung ihrer Einstellungspraxis (Auswahlverfahren statt Übernahmeverfahren) gezwungen gewesen sei.
Wegen der Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst den beigefügten Anlagen Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:

Die Verpflichtungsklage ist zulässig. Ein Vorverfahren brauchte nicht vorauszugehen, da die Beklagte vorab erklärt hat, sie könne aufgrund der geänderten, für sie bindenden Gesetzeslage dem Begehren des Klägers nicht stattgeben. Beide Parteien haben daher auf die Durchführung eines Vorverfahrens verzichtet.
Die Klage konnte keinen Erfolg haben.
Niemand hat einen normierten Anspruch darauf, nach Abschluss seiner Ausbildung in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis übernommen zu werden. Das gilt im Pfarrerrecht ebenso wie im staatlichen Beamtenrecht. § 3 Abs. 3 des Erprobungsgesetzes sprach dies ausdrücklich aus. In gleicher Weise heißt es in § 1 Ziff. 4 der Kandidatenordnung vom 24.06.1974 und nunmehr in § 2 Abs. 2 des durch das Dienstrechtsänderungsgesetz geänderten Pfarrergesetzes, dass kein Rechtsanspruch auf die Übernahme in den Pfarrdienst und auf Ernennung zum Pfarrvikar besteht.
Der Kläger kann sich auch nicht auf das Urteil des Kirchlichen Verfassungs- und Verwaltungsgerichts vom 22.07.1998 berufen, das zugunsten der Vikare des Vikarskurses 1/96 ergangen ist. Bei diesen Vikaren lag die Besonderheit vor, dass sie die Zweite Theologische Prüfung noch unter der Geltung des Erprobungsgesetzes abgelegt hatten und damit nach der ebenfalls noch in Kraft befindlichen Übernahmeverordnung vom 14.12.1993 sich um die Übernahme in das Dienstverhältnis auf Probe bewerben konnten, was sie auch wenn auch vergeblich – noch unter der Geltung des alten Rechts taten. Für diese Vikare war die zum 01.01.1998 eingetretene Änderung der Rechtslage eine unzumutbare Härte, die nach Auffassung des Kirchengerichts durch eine Übergangsregelung zugunsten derer, denen „kurz vor dem Erreichen des Ziels die Tür vor der Nase zugeschlagen wurde“, hätte vermieden werden müssen.
Bei den Vikaren der Vikarskurse 2/96, die erst im Mai 1998 die Zweite Theologische Prüfung ablegten, liegt diese ganz besondere Härte, die sich aus einem Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergab, nicht vor.
Auch die Berufung des Klägers auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes greift im Ergebnis nicht durch.
Zwar kann der Kläger – ebenso wie die anderen Kläger und Klägerinnen, die sich verglichen haben – in begrenztem Umfang Vertrauensschutz in Anspruch nehmen. Als er nach seiner Ersten Theologischen Prüfung die Wartezeit auf sich nahm, durfte er aufgrund der Intention des Erprobungsgesetzes, der dazu von Seiten der Kirchenleitung und Kirchenverwaltung abgegebenen Erklärungen und der praktischen Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen vertrauensvoll die Erwartung hegen, nach Ablegung der Zweiten Theologischen Prüfung in den Pfarrdienst übernommen zu werden. Ein Risiko, dass es dazu nicht kommen könnte, zeichnete sich für ihn im Sommer 1994 noch nicht konkret ab.
Als der Kläger sich entschloss, entsprechend dem ihm gemachten Angebot den praktischen Vorbereitungsdienst zum 01.09.1996 zu beginnen und dies am 1. September 1996 auch tat, war nach der Überzeugung des Gerichts unter den Wartenden allgemein bekannt, dass eine Änderung der Einstellungspraxis drohte. Auch wenn der Kläger nicht Mitglied der Interessengemeinschaft InNOT war und nicht persönlich informiert wurde, konnte ihm die Aufregung, die die Änderungspläne der Kirchenleitung unter Jungtheologen verursachten, nicht verborgen bleiben. Es widerspräche jeder Lebenserfahrung, wenn diese Änderungsabsichten unter den Wartenden und den Vikaren nicht Tagesgespräch gewesen wären.
Andererseits ist der Beklagten, die durch das Referat Personalförderung handelte, der schwerwiegende Vorwurf zu machen, dass sie die Wartenden und somit auch den Kläger nicht individuell auf das sich abzeichnende Risiko einer Nichtübernahme deutlich hingewiesen hat. Sie hätte jedem einzelnen zu bedenken geben müssen, ob er eine in der Wartezeit aufgenommene Beschäftigung, falls diese ausbaufähig war, bei dem Risiko der späteren Nichtübernahme aufgeben wolle.
Ganz unverständlich ist, dass Pfarrer I. Mitte Juni 1996 den zukünftigen Vikaren der Kurse 2/96 einen an der alten Rechtslage ausgerichteten Terminplan aushändigte, ohne dass dieser als vorläufig gekennzeichnet und in seiner Durchführung, was den Bewerbungstermin und den Termin für die Übernahmekommission betraf, als zweifelhaft dargestellt wurde. Dies geschah zwei Wochen vor der F-Stadter Synode, auf der nach der damaligen Vorstellung der Beklagten der auf der Dezember-Synode 1995 eingebrachte Änderungsentwurf in zweiter und dritter Lesung verabschiedet werden sollte. Aufgrund dieser Handlungsweise konnten die zukünftigen Vikare in der Tat der Annahme sein, sie würden von einer Änderung der Einstellungspraxis nicht betroffen werden.
Die befristete Geltungsdauer des Erprobungsgesetzes stellte allerdings einen Unsicherheitsfaktor dar. Aus der wiederholten Verlängerung des Gesetzes konnte man nicht die Gewissheit herleiten, dass es auch in Zukunft zu weiteren Verlängerungen des ungeänderten Gesetzes kommen werde. Aus § 8 Abs. 2 der ÜbVO ergab sich zwar ein Planungszeitraum bis zum Übernahmeverfahren II/1998. Diese Planung stand aber unter dem ausdrücklichen Vorbehalt der Verlängerung des Erprobungsgesetzes. Auch ist der Beklagten bei ihrer vom Kläger als unzureichend gerügten Informationserteilung zugute zu halten, dass sie nicht wissen konnte, ob die Synode als der Gesetzgeber die Entwürfe der Kirchenleitung unverändert billigen würde. Der Widerspruch, den der Änderungsentwurf der Beklagten (Drucksache Nr. 86/95) auf der F-Stadter Synode Ende Juni 1996 erfahren hatte, veranschaulicht dies.
Soweit der Kläger Vertrauen für sich in Anspruch nehmen kann, ist jedoch ins Auge zu fassen, dass dem Schutz des Vertrauens auf den Fortbestand gesetzlicher Regelungen und verwaltungsrechtlichen Handelns zukunftsgerichtet die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers und der Handlungsspielraum der Verwaltung gegenüber stehen. Dieses Spannungsverhältnis zwingt zu einer Abwägung zwischen begründetem Vertrauen einerseits und der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens andererseits.
Diese Abwägung geht zugunsten der Beklagten aus. Der Beklagten, die durch ihre Gesetzesinitiative die Änderung der Rechtslage herbeigeführt hat, ist keine Willkür vorzuwerfen. Sie sah sich wegen der Änderung der Gesamtsituation, die zu großen Einsparungen und zur Verminderung der Pfarrstellenzahl zwingt, vor die Notwendigkeit gestellt, im geschehenen Sinne zu handeln.
Die Beklagte hat jahrelang eine verfehlte Einstellungspolitik betrieben. Kirchenpräsident F. hat dies auf der 14. Tagung der Achten Kirchensynode im April 1997 mit folgenden Worten zum Ausdruck gebracht:
„Das nun kommende Einstellungsgesetz ... bekommt aber seine Härte dadurch, dass das Erprobungsgesetz das Grundproblem nicht gelöst, sondern verschleiert hat. Wir – Synode, Kirchenleitung, Leitendes Geistliches Amt und Kirchenverwaltung – haben den kommenden Generationen unserer Pfarrerschaft zu lange zu viel versprochen. Damit haben wir Fehler gemacht – in bester Absicht. Denn das Erprobungsgesetz hat ja auch den positiven Effekt gehabt, dass seit 1985 fast 600 junge Menschen eine Stelle bekommen haben. Wir haben also Arbeitslosigkeit in großem Maße verhindert. Die bittere Wahrheit aber ist, dass dadurch der Spielraum für die jetzige und die kommende Generation über das Normale hinaus noch enger geworden ist. ...“
(Verhandlungen der Kirchensynode, 14. Tagung, Achte Kirchensynode, Sei-te 30 f).
Noch drastischer ist die Problematik in der Studie „Erprobungsgesetz und die Fol-gen“ ausgedrückt, die im Auftrag und im Rahmen der Kirchenverwaltung von Pfarrerin J. und Pfarrvikar und Diplom-Psychologe K. erstellt wurde. Sie wurde in die mündliche Verhandlung eingeführt. Es heißt in dieser Studie u. a.:
„Trotz anfänglichen Widerstandes wurde das Erprobungsgesetz schließlich 1997 durch das Dienstrechtsänderungsgesetz abgelöst, was in bezug auf die Einstellungspolitik der EKHN einen radikalen Bruch darstellt, der in dieser Härte und Plötzlichkeit einzig und allein durch die spätestens 1993 versäumte Reaktion auf die zu erwartende Personalsituation notwendig wurde.
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Aufgrund kirchenpolitischer Durchsetzungsmöglichkeiten und einer falschen Lagebeurteilung wurde es aber viel zu lange vermieden, Einstellungsbeschränkungen für TheologInnen zu erlassen und die Konsequenzen aus den negativen Erkenntnissen über das Teildienstmodell zu ziehen. Die Folge ist eine katastrophale, negative Situation für die jetzigen TheologInnenjahrgänge, die ohnehin schon vor dem Vikariat lange Wartezeiten hinnehmen mussten, und sich jetzt entsetzt mit einer Einstellungsquote von etwa 10 – 15 % zufrieden geben müssen.
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Ein großer Teil des finanziellen Engpasses wurde aber gerade dadurch erzeugt, dass seit 1987 viel mehr PfarrerInnen eingestellt und finanziert wurden als mittelfristig bezahlt werden können. Von daher ist es im Grunde von vorneherein ausgeschlossen, zugunsten der TheologInnen andere Berufe noch mehr, als das ohnehin schon geschieht, in das unvermeidbare Sparprogramm der EKHN einzubeziehen. So sehen wir leider gegenwärtig keine Alternative zu dem Beschluss der EKHN-Synode von 1997.
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Da die EKHN ..... die Reaktion auf die sich abzeichnende katastrophale Personalsituation seit 1993 verschleppt und somit als Arbeitgeberin zumindest die Härte und Plötzlichkeit der Umstellung auf eine Einstellungspolitik mit extrem niedriger Quote verschuldet hat, sind die Forderungen der Betroffenen nach Umschulungsbeihilfen und Unterstützung bei der Arbeitssuche vollkommen berechtigt.“
(Erprobungsgesetz und die Folgen, Resümee zum Abschlussbericht, Kirchenverwaltung der EKHN, Darmstadt 1998, Seiten 6, 7, 8, 14 u. 15)
Bei der vom Kirchengericht vorzunehmenden Abwägung der Interessensphäre des Klägers gegenüber der der Beklagten hat die Studie über das Erprobungsgesetz und seine Folgen in ihrer Überzeugungskraft großes Gewicht. Es wäre falsch, die Beklagte gerichtlich zu einer Fortsetzung ihrer verfehlten Einstellungspolitik zu zwingen. Ein Erfolg der Klage würde sich unter Umständen auf die Vikare weiterer Kurse auswirken.
Bei der Abwägung war auch ins Auge zu fassen, dass die Beklagte bereit war, den vergleichswilligen Klägern und Klägerinnen eine sehr ansehnliche Abfindungssumme zu zahlen. Dadurch wurde für die Betroffenen die Härte, die sich für sie aus der Änderung der Einstellungspolitik ergibt, beträchtlich abgemildert, wenn auch nicht völlig beseitigt.
Der Kläger hätte sich auch für die Abfindungssumme entscheiden können. Indem er es als einziger nicht tat, veranlasste er eine gerichtliche Entscheidung, die auch für die Zukunft zur Klärung der Rechtslage beitragen wird. Die Beklagte möge erwägen, ob dies dem Kläger aus Billigkeitsgründen honoriert werden könnte.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 38 KVVG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO.