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Kirchengericht:Kirchliches Verfassungs- und Verwaltungsgericht der EKHN
Entscheidungsform:Urteil (rechtskräftig)
Datum:18.05.2001
Aktenzeichen:KVVG II 1/01
Rechtsgrundlage:Art. 19,140 GG; Art. 137 WRV; § 1 KVG; § 134 BGB; §§ 30,58 PfG; § 19 PfBesG; §§ 126,135 BRRG; §§ 2,3,5,6,36,38 KVVG; §§ 38,44 VwVfG; § 154 VwGO
Vorinstanzen:
Schlagworte:, Abfindung, Abfindungszusage, Pfarrvikar, Rechtswegeröffnung, Rechtsweggarantie, Verpflichtungsklage, Öffnung des Rechtsweges
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Leitsatz:

1. Bei der mit der Klage geltend gemachten angemessenen Abfindung für ein Ausscheiden der Klägerin aus dem Pfarrdienstverhältnis handelt es sich um einen vermögensrechtlichen Anspruch, für den nach § 30 PfG der Rechtsweg zum staatlichen Verwaltungsgericht ausdrücklich eröffnet ist. Diese Vorschrift ist auf die Klägerin als Pfarrvikarin gemäß § 58 PfG sinngemäß anzuwenden.
2. Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 KVVG kann das Gericht nur zum Erlass eines kirchlichen Verwaltungsaktes verpflichten, nicht aber zum Erlass der Einbringung von Gesetzen oder Rechtsverordnungen.

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Für das Verfahren werden Gebühren und Auslagen nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten hat die Klägerin zu tragen.
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Tatbestand:

Die 1963 geborene Klägerin ist nach 1994 bestandenem Zweiten Theologischen Examen mit Wirkung vom 01.01.1998 zur Pfarrvikarin im Teildienstverhältnis zu ½ ernannt worden. Gleichzeitig erhielt sie einen Dienstauftrag zur Verwaltung der halben Pfarrvikarstelle für Studentenseelsorge an der Fachhochschule D-Stadt.
Ende März 1998 beantragte die Klägerin unter Hinweis auf eine Trennung von ihrem Lebensgefährten die Erteilung eines neuen Dienstauftrages in E-Stadt. Im Rahmen eines Personalgesprächs am 17.09.1998 bat sie um Genehmigung einer Nebentätigkeit als Lebensberaterin, die ihr unter dem 26.11.1998 erteilt wurde. In diesem Schreiben vom 26.11.1998 ist zum weiteren Verlauf des Personalgespräches vom 17.09. erwähnt, dass die Klägerin darauf hingewiesen habe, sich überlegen zu wollen, eventuell aus dem Dienst der EKHN auszuscheiden, um sich dann ganz ihrer privaten Beraterinnentätigkeit zu widmen. Dazu ist ausgeführt (Bl. 5 d.A.), dass die EKHN bereit wäre, einen solchen Schritt mit einer angemessenen Abfindung zu begleiten. Die Höhe des Abfindungsbetrages könne noch nicht genannt werden. Jedoch werde Herr OKR D. bei einem schon geplanten Gespräch mit dem anwaltlichen Vertreter der Klägerin dazu nähere Angaben machen.
Dieses Gespräch zwischen dem anwaltlichen Vertreter der Klägerin und den OKRen D. und E. fand wenige Tage danach am 30.11.1998 statt. Der Inhalt dieses Gesprächs ist zwischen den Beteiligten streitig. Der anwaltliche Vertreter der Klägerin legte unter dem 08.12.1998 den Entwurf einer Vereinbarung vor, der nach Behauptung der Klägerin in Übereinstimmung mit dem Gesprächsergebnis vom 30.11. steht, und u.a. ihr Ausscheiden aus dem Pfarrdienst per 31.12.1998 gegen Zahlung einer Abfindung von DM 237.500,-- brutto am 15.12.1998 vorsieht. Die Beklagte dagegen legt dar, in dem Gespräch vom 30.11.1998 sei keine Zusage gemacht worden, der zuständige Mitarbeiter habe vielmehr darauf hingewiesen, dass in der Kirchenleitung eine grundsätzliche Diskussion über die Frage der Zahlung von Abfindungen bei freiwilligem Ausscheiden aus dem Pfarrdienst im Dezember 1998 und Januar 1999 geführt werden solle. Am 15.01.1999 schrieb KOAR F. für die Beklagte, dass die generelle Entscheidung der KL zu dem Fragenkomplex noch ausstehe, man aber wegen der Frage in Verbindung bleiben wolle. Die Beklagte sah offenbar Bedarf für eine gesetzliche Regelung.
Mit Schreiben ihres anwaltlichen Vertreters vom 02.10.2000 forderte die Klägerin die Beklagte auf, die Ende 1998 vorgeschlagene Vereinbarung zu akzeptieren. Die Beklagte lehnte ab und äußerte unter dem 29.11.2000, es gebe von ihrer Seite keine verbindliche Zusage. Mit Schreiben vom 07.12.2000 forderte die Klägerin dazu auf, dass die Beklagte bis spätestens 15.12. erklären möge, dass sie zu der grundsätzlichen Abfindungszusage stehe. Dieser Aufforderung ist die Beklagte nicht gefolgt.
Die Klägerin hat daher unter dem 20.12.2000 Klage gegen die Beklagte erhoben und beantragt, festzustellen, dass die Beklagte der Klägerin für den Fall deren Ausscheidens aus dem Dienstverhältnis dem Grunde nach eine Abfindung verbindlich zugesagt hat. Hilfsweise bat sie um Fristsetzung für eine Erklärung der Beklagten mit diesem Inhalt.
Sodann hat die Beklagte durch Schreiben der Kirchenverwaltung vom 17.01.2001 die Aufforderung der Klägerin vom 07.12.2000 („dass sie zur Zusage stehe“) abgelehnt. Eine Zusicherung zum Abschluss eines Auflösungsvertrages gebe es nicht. Sie wäre im übrigen aber wie ein Auflösungsvertrag selbst wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig.
Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin am 30.01.2001 Beschwerde gemäß § 1 Abs. 5 KVG an die Kirchenleitung ein, die die Beschwerde durch Beschluss vom 06.03.2001 als unbegründet zurückgewiesen hat. Dabei wiederholt die Kirchenleitung die bisher gemachten Darlegungen und weist insbesondere darauf hin, dass sie nach § 19 PfBesG am Abschluss des von der Klägerin gewünschten Auflösungsvertrages gehindert sei. Eine dazu angeblich gemachte Zusicherung sei nach den Rechtsgedanken der §§ 38 II/44 I VwVfG nichtig. Zugleich weist die Kirchenleitung in ihrem Bescheid nochmals darauf hin, dass gegen ihren Beschluss nur der Rechtsweg zum staatlichen Verwaltungsgericht gegeben sei.
Die Klägerin hat vorsorglich Klage zum staatlichen Verwaltungsgericht erhoben, hält aber die Zuständigkeit des angerufenen kirchlichen Gerichts für gegeben und nicht für nach § 30 Satz 2 PfG ausgeschlossen. Es handele sich nicht um die Anwendung einfacher besoldungsrechtlicher Normen, sondern um die Notwendigkeit, die Beklagte zur Erfüllung einer Zusage anzuhalten. Geschehe das durch ein staatliches Verwaltungsgericht, liege darin ein Eingriff in den kirchlichen Hoheitsbereich.
Die Klägerin beantragt wie in ihrer Klage zum Verwaltungsgericht Mainz,
den Bescheid der Beklagten vom 17.01.2001 in der Gestalt der Beschwerdeentscheidung vom 07.03.2001 aufzuheben
und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, gemäß ihrer Zusage vom 26.11.1998 der Klägerin für den Fall deren Ausscheidens aus dem Dienst eine angemessene Abfindung zu zahlen, gegebenenfalls hierfür die erforderlichen gesetzlichen verwaltungsrechtlichen Regelungen in einer vom Gericht zu bestimmenden Frist zu schaffen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bestreitet, der Klägerin eine Zusage gegeben zu haben, dass sie ihr für den Fall des Ausscheidens aus dem Pfarrdienst eine Abfindung zahlen werde. Wäre eine solche Zusage gegeben worden, so wäre sie wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig. Die Beklagte stützt dies auf § 19 PfBesG und eine analoge Anwendung der §§ 134 BGB und 38 VerwVerfG.
Die Klage sei aber außerdem unzulässig, weil es sich um eine vermögensrechtliche Streitigkeit handele, für die nach § 30 Satz 2 PfG der Rechtsweg zu den staatlichen Verwaltungsgerichten eröffnet sei. Das angerufene kirchliche Gericht sei deshalb unzuständig.
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Entscheidungsgründe:

Die Klage ist abzuweisen, weil sie unzulässig ist.
Bei der mit der Klage geltend gemachten angemessenen Abfindung für ein Ausscheiden der Klägerin aus dem Pfarrdienstverhältnis handelt es sich zweifellos um einen vermögensrechtlichen Anspruch, für den nach § 30 PfG der Rechtsweg zum staatlichen Verwaltungsgericht ausdrücklich geöffnet ist. Diese Vorschrift ist auf die Klägerin als Pfarrvikarin gemäß § 58 PfG sinngemäß anzuwenden. Sie ist einem auf Lebenszeit ernannten Pfarrer auch insoweit gleichgestellt.
Nach § 30 PfG ist es nicht erforderlich, dass es bei dem vermögensrechtlichen Anspruch um Fragen des kirchlichen Besoldungs- oder Versorgungsrechts geht. Das sind nur in der Vorschrift genannte Regelbeispiele des Gesetzes, die aber im übrigen der hier von der Klägerin begehrten Abfindung zumindest sehr nahe stehen. Der Klägerin kann nicht gefolgt werden, wenn sie in dieser Öffnung des Rechtswegs zum staatlichen Verwaltungsgericht einen unzulässigen Verzicht der Kirche auf tragende staatskirchenrechtliche Grundsätze sieht. Zwar ist den Kirchen in Art. 140 GG/137 WRV das Recht auf Selbstordnung und Selbstverwaltung ihrer Angelegenheiten garantiert. Es steht ihr jedoch frei, den Staat, wenn dieser will und rechtlich kann, in einen der Kirche vorbehaltenen Raum einwirken zu lassen (Maunz 18 zu Art. 140/137). Gegen die Öffnung eines Rechtsweges an staatliche Gerichte könnte der Staat sich angesichts Art. 19 Abs. 4 GG (Rechtsweggarantie) auch kaum wehren. Für einen Sachverhalt wie den vorliegen hat er die Öffnung des Rechtsweges zudem auch ausdrücklich gebilligt und zwar den zum Verwaltungsgericht (§§ 135, 126 BRRG). Der Kirche steht dabei auch frei, die Rechtswegöffnung nur teilweise für vermögensrechtliche Streitigkeiten vorzunehmen und z. B. statusrechtliche Fragen ihrer eigenen kirchlichen Gerichtsbarkeit vorzubehalten.
Die organisatorische und rechtliche Trennung kirchlicher von staatlicher Gerichtsbarkeit verhindert eine Verweisung des Rechtsstreits an das Verwaltungsgericht. Dies sieht auch die Seite der Klägerin so und hat folgerichtig Klage zum Verwaltungsgericht C-Stadt erhoben.
Die Öffnung des Rechtsweges zum staatlichen Verwaltungsgericht führt nach § 5 Nr. 6 KVVG automatisch und zwingend zur Unzuständigkeit des angerufenen kirchlichen Gerichts, weil die Vorschrift das Kirchliche Verfassungs- und Verwaltungsgericht immer dann für unzuständig erklärt, wenn ein anderes Gericht zuständig ist. Auf die Frage einer gleichzeitigen oder zeitlich vorhergehenden Anhängigkeit kommt es nicht an. „anderes Gericht“ im Sinne dieser Vorschrift ist auch das staatliche Verwaltungsgericht.
Dagegen ist die Zuständigkeit des angerufenen kirchlichen Gerichts nicht durch eine dem § 30 PfG entsprechende Öffnungsklausel zugunsten des staatlichen Verwaltungsgerichts per se ausgeschlossen für den weitergehenden, von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gestellten Feststellungsantrag, dass die Beklagte verpflichtet sei, gegebenenfalls die für das Begehren der Klägerin erforderlichen gesetzlichen und verwaltungsrechtlichen Regelungen zu schaffen.
Diesem Feststellungsbegehren steht jedoch der beschränkte Aufgabenkatalog entgegen, der die Zuständigkeiten des Kirchlichen Verfassungs- und Verwaltungsgerichtes in §§ 2 und 3 KVVG abschließend aufführt. Die in § 3 Absatz 1 Nr. 3 KVVG gegebene Feststellungsklage kann zwar nach § 6 KVVG auch von Einzelpersonen erhoben werden. Sie kann aber nur gerichtet sein auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder auf Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes.
Sieht man in dem Antrag, „eine Verpflichtung der Beklagten festzustellen“, was nicht fern liegt, eine Verpflichtungsklage nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 KVVG, so steht ihrer Zulässigkeit entgegen, dass das Gericht nur zum Erlass eines kirchlichen Verwaltungsaktes verpflichten kann, aber nicht zur Schaffung von gesetzlichen oder verwaltungsrechtlichen Regelungen, also zum Erlass oder zur Einbringung von Gesetzen oder Rechtsverordnungen.
Die Klage war daher insgesamt als unzulässig abzuweisen.
Für das Verfahren werden Gebühren uns Auslagen nicht erhoben (§ 36 Satz 1 KVVG). Als unterliegender Teil hat die Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu tragen (§§ 38 KVVG, 154 Abs. 1 VwGO).