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Kirchengericht:Kirchliches Verfassungs- und Verwaltungsgericht der EKHN
Entscheidungsform:Urteil (rechtskräftig)
Datum:12.05.1989
Aktenzeichen:KVVG II 1/89
Rechtsgrundlage:§§ 29,36,58,61 PfG; §§ 5,6,25,25; § 7 BLV; § 3 Hess.LaufbahnVO; §§ 3,18 KVVG
Vorinstanzen:
Schlagworte:Christliche Pfadfinder-Gemeinschaft, Gebot der Brüderlichkeit, Pfarrvikar, Probezeit, Rechtliches Gehör, Verwaltungsakt, Wolfgang-Philipp-Gesellschaft
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Leitsatz:

Das Urteil ist in der Rechtsprechungsbeilage 1990, Seite 8 des Amtsblatts der Evangelischen Kirche in Deutschland (Beilage zu Heft 4 vom 15.04.1990) mit dem nachfolgenden Leitsatz veröffentlicht worden.
1. Bei der Verlängerung der Probezeit eines Pfarrvikars handelt es sich um einen belastenden kirchlichen Verwaltungsakt.
2. Die Verpflichtung zur Gewährung rechtlichen Gehörs bei Verlängerung der Probezeit ergibt sich auch ohne spezielle gesetzliche Regelung aus der Schutzverpflichtung der Ev. Kirche in Hessen und Nassau gegenüber ihren Pfarrern und Pfarrvikaren. In einer christlichen Gemeinschaft folgt sie gleichzeitig aus dem Gebot der Brüderlichkeit und des rechten Umgangs miteinander.
3. Die nachträgliche Verlängerung der Probezeit eines Pfarrvikars ist auch im kirchlichen Dienstrecht grundsätzlich zulässig.
4. Bei der Feststellung, ob begründete Bedenken gegen die Eignung eines Pfarrvikars als Pfarrer bestehen, steht dem Dienstherrn ein gerichtlich nicht nachprüfbarer Beurteilungsspielraum zu.
5. Die Verlängerung der Probezeit hat den Sinn und Zweck, die Beurteilungsbasis zu vergrößern und dem Bediensteten die Möglichkeit zu geben, die an seiner Eignung bestehenden Bedenken zu beheben. Sie darf nicht dazu missbraucht werden, die abschließende Entscheidung des Dienstherrn über die Eignung für den Dienst als Pfarrer ohne triftigen Grund hinauszuschieben (Leitsätze der Redaktion).

Tenor:

Der mit Bescheid der Kirchenverwaltung vom 20. Dezember 1988 mitgeteilte Beschluss der Kirchenleitung vom 13. Dezember 1988 wird aufgehoben.
Für das Verfahren werden Gebühren und Auslagen nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten hat die Beklagte zu tragen.
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Tatbestand:

Der Kläger, der mit Wirkung vom 1. Oktober 1985 zum Pfarrvikar ernannt wurde, wendet sich gegen die im Zusammenhang mit seiner Mitgliedschaft bei der Wolfgang-Philipp-Gesellschaft erfolgte Verlängerung der Probezeit.
Die Wolfgang-Philipp-Gesellschaft wurde 1974 von Oberschülern in C. gegründet. Sie versteht sich als eine ökumenische christliche Gemeinschaft auf der Grundlage der Erkenntnisse des 1969 verstorbenen evangelischen Theologen Wolfgang Philipp. Mit ihrer Missionsarbeit will sie vor allem Jugendliche ansprechen. Die Gesellschaft, deren Vorsitzender der Kläger bis Oktober 1988 war, hat in den drei Ortsverbänden D., C. und E. rund 80 Mitglieder. Darüber hinaus besteht eine "Christliche Pfadfinder-Gemeinschaft" mit eigener Satzung und Organisation.
Seit 1982 steht die Wolfgang-Philipp-Gesellschaft in Kontakt mit der Beklagten. Dieser war - ebenso wie die Jugendarbeit der Gesellschaft in der Stadtkirchengemeinde C. und der Melanchthongemeinde in D. - dadurch gekennzeichnet, dass gewisse Eigentümlichkeiten der Gesellschaft, z. B. die Verwendung germanischer Begriffe, die Ämterordnung oder der Stellenwert der Nationalhymne, verschiedentlich die Befürchtung aufkommen ließen, die Wolfgang-Philipp-Gesellschaft verfolge nationalistische Tendenzen.
Um aufgetretene "gegenseitige Verständigungsschwierigkeiten" auszuräumen, trafen sich Vertreter der Wolfgang-Philipp-Gesellschaft und der Beklagten zwischen September 1986 und April 1987 zu Gesprächen. Die Beklagte bekundete dabei ihr Interesse an einer Zusammenarbeit und erklärte sich zur Unterstützung der Tätigkeit der Wolfgang-Philipp-Gesellschaft bereit. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf das Ergebnisprotokoll vom August 1987 Bezug genommen.
Im November 1987 äußerte die Beklagte gegenüber der Wolfgang- Philipp-Gesellschaft Bedenken wegen einzelner Abschnitte von Satzung und Arbeitsgrundlagen der Christlichen Pfadfinder-Gemeinschaft. Nachdem die Gesellschaft klargestellt hatte, dass es sich dabei um interne Arbeitspapiere ohne offiziellen Charakter handele, ging die Beklagte den Bedenken nicht weiter nach.
Nach dem Vortrag der Klägers erklärte der Propst für F C. im Januar 1988 in einer Sitzung der Kirchenvorstandes der Gemeinde D. im Hinblick auf die Besetzung der Pfarrstelle, der Kläger gehöre der “gefährlichen nationalistischen Wolfgang-Philipp-Gesellschaft“ an. Ein Gespräch mit der Wolfgang-Philipp-Gesellschaft lehnte der Propst nach deren Angaben ab. Er wolle zuerst im Leitenden Geistlichen Amt über die Gesellschaft sprechen.
Am 4. Februar 1988 beschloss das Leitende Geistliche Amt, dass ein Gespräch mit dem Kläger aber die Wolfgang-Philipp-Gesellschaft sowie über “die Frage der Bindungen, welche aus einer Mitgliedschaft in ihr entstehen“ geführt werden solle. Auf der Verfügung für das Einladungsschreiben findet sich ein Vermerk von Pfarrer D., dass der Kläger bei der telefonischen Vorabklärung die Frage gestellt habe, ob das Gespräch in Beziehung stehe oder gebracht werden könne mit seiner Bewerbungsfähigkeit. Wegen des Gesprächsinhalts wird auf das Protokoll vom 28. August 1988 sowie die Zusätze von Propst C. und dem Kläger Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 8. September 1988 teilte die Kirchenverwaltung dem Kläger mit, dass aber die Frage der Zuerkennung der Bewerbungsfähigkeit nach Ablauf der Probezeit erst nach Beendigung der zur Zeit laufenden Gespräche mit dem Kläger entschieden werden könne.
Ende November 1988 teilte der Kirchenpräsident dem Kläger nach dessen Angaben telefonisch mit, dass er davon ausgehe, dass der Kläger noch 1988 die Bewerbungsfähigkeit erhalten werde. In einem persönlichen Gespräch am 12. Dezember 1988, dem zwei Gespräche im April und Mai vorausgegangen waren, soll der Kirchenpräsident dem Kläger erklärt haben, dass ihn manche seiner Äußerungen zwar befremdeten, er in ihnen aber keinen Grund für die Verweigerung der Anstellungsfähigkeit sehe.
In ihrer Sitzung am 13. Dezember 1988 beschloss die Kirchenleitung, die Probezeit des Klägers um ein Jahr zu verlängern. Gleichzeitig wurde das Leitende Geistliche Amt gebeten zu prüfen, “inwieweit sich die ethnopluralistischen Auffassungen des Pfarrvikars mit dem Dienst in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau vereinbaren lassen und ob eventuell seine seelsorgerliche Befähigung in Frage gestellt ist“.
Mit Bescheid vom 20. Dezember 1988 setzte die Kirchenverwaltung den Kläger von diesem Beschluss in Kenntnis. Das Schreiben enthält keine Rechtsmittelbelehrung.
Mit am 23. Januar 1989 bei dem Verfassungs- und Verwaltungsgericht der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger Klage erhoben.
Er ist der Auffassung, eine nachträgliche Verlängerung der Probezeit nach deren regulärem Ablauf sei nicht möglich. Die Anstellungsfähigkeit hänge nach § 6 EG allein vom Ablauf der Probezeit ab. Einer gesonderten Zuerkennung der Bewerbungsfähigkeit bedürfe es nicht.
Seine Probezeit sei jedenfalls am 30. September 1988 abgelaufen gewesen. Die Mitteilung der Kirchenverwaltung vom 8. September 1988 habe mangels Regelung mit Außenwirkung hieran nichts geändert.
Darüber hinaus sei die Maßnahme der Beklagten auch aus formellen Gründen rechtswidrig. Dem Kläger sei vor der Entscheidung über die Verlängerung der Probezeit keine Möglichkeit gegeben worden, sich zu der Entscheidung und den für sie erheblichen Tatsachen, insbesondere zu der bei den Personalakten befindlichen Stellungnahme von Propst C vom 31. August 1988, zu äußern. Die Maßnahme verletze daher das Recht des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs, das als allgemeines Rechtsprinzip auch im Bereich kirchlichen Verwaltungshandelns zu beachten sei.
Die Maßnahme werde weiter nicht dem ebenfalls aus rechtstaatlichen Grundsätzen zu entnehmenden Begründungsgebot gerecht. Weder lasse sie erkennen, welche Äußerungen dem Kläger im einzelnen zur Last gelegt würden, noch gebe sie das Für und Wider der Ermessens- und Beurteilungsentscheidung wieder.
Im übrigen lägen auch die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für eine Verlängerung der Probezelt nicht vor.
Der Kläger, der ursprünglich auch die Feststellung seiner Bewerbungsfähigkeit begehrt hatte, hat dieses Begehren in der mündlichen Verhandlung nicht weiter verfolgt.
Der Kläger beantragt nunmehr,
den mit Bescheid der Kirchenverwaltung vom 20. Dezember 1988 mitgeteilten Beschluss der Kirchenleitung vom 13. Dezember 1988 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, § 6 Abs. 1 Satz 1 EG, wonach sich der Pfarrvikar "nach Ablauf der Probezeit" um eine Pfarrstelle bewerben könne, nehme nicht auf die Regelprobezeit Bezug, sondern auf die jeweilige individuelle Probezeit. Dem kirchlichen Dienstherrn stehe deshalb ebenso wie im weltlichen Beamtenrecht auch nach Ablauf der Probezeit noch eine angemessene Überlegungsfrist für die Entscheidung über eine Verlängerung zur Verfügung. Diese sei vorliegend im Hinblick auf die notwendigen Gespräche nicht überschritten.
Der Bescheid sei nicht bereits aus formellen Gründen rechtswidrig. Der Kläger sei in den Gesprächen am 23. August und 12. Dezember 1988 sehr eingehend zu allen kritischen Anfragen gehört worden, die das Verhältnis von Ordination und Mitgliedschaft in der Wolfgang-Philipp-Gesellschaft beträfen. Spätestens seit der Mitteilung der Kirchenverwaltung vom 8. September 1988 habe ihm der Zusammenhang dieser Gespräche mit der Frage seiner Bewerbungsfähigkeit klar sein müssen. Dementsprechend habe er auch in dem Gespräch am 12. Dezember die Erwartung geäußert, dass ihm die Bewerbungsfähigkeit baldmöglichst zuerkannt werden möge.
Der Bescheid erfülle auch die Mindestanforderungen hinsichtlich der Pflicht zur Begründung. Die Begründung könne auch nach Klageerhebung noch präzisiert werden. Dies sei allerdings erst nach Abschluss der Prüfung durch das Leitende Geistliche Amt möglich.
Die Beklagte hat später vorgetragen, die Bedenken gegen die Eignung des Klägers für den Dienst als Pfarrer ergeben sich aus seiner Mitgliedschaft in der Wolfgang-Philipp-Gesellschaft. Es handele sich dabei nicht um abschließende Feststellungen, sondern um theologisch begründete Zweifel, ob die Verpflichtungen aus der Ordination mit den Bindungen als Mitglied der Wolfgang-Philipp-Gesellschaft vereinbar seien. Maßstab für die Feststellung der Eignung als Pfarrer, die die Beklagte im Rahmen eines gerichtlich nicht überprüfbaren Beurteilungsspielraumes treffe, sei nicht die verbale Anerkennung der Ordinationsverpflichtung, sondern auch die Einstellung zu den politisch-ethischen Grundfragen der Gegenwart.
Die Zweifel an der Eignung der Klägers stützten sich hauptsächlich auf verschiedene Begriffe und programmatische Aussagen in den Texten der Wolfgang-Philipp-Gesellschaft sowie in den "Arbeitsgrundlagen" der mit ihr verbundenen Christlichen Pfadfinder- Gemeinschaft. Anlass zu theologischen Bedenken gebe der auffallend hohe Stellenwert, der der Bindung an Volkstum und Muttersprache anerkannt werde. Eine Gemeinschaft, die sich selbst als christlich verstehe, und mit ihr der Kläger müssten sich. kritisch fragen lassen, ob derartige Aussagen nach dem schweren Missbrauch durch Nationalismus, NS-Ideologie und deutsch-christliche Irrlehre sowie im Anschluss an die Theologische Erklärung von Barmen noch zu verantworten seien. Der vom Kläger vertretene "Ethnopluralismus" stehe in einer noch nicht geklärten Spannung zur Aussage des Galaterbriefes in Kapitel 3 Vers 28 und zur These 2 der Barmer Erklärung. Die hierarchische Struktur der Gesellschaft und der Pfadfinderschaft erscheine nicht geeignet, jungen Menschen zu vermitteln, dass die christliche Gemeinde eine Gemeinschaft sei, deren Mitglieder nicht per Befehl und Gehorsam miteinander umgingen, sondern - wie These 3 und 4 der Barmer Erklärung zeigten - im geschwisterlichen Gespräch gemeinsam nach dem Willen Gottes in der heutigen Zeit fragten.
Die Verwendung der burischen Bezeichnung “Vortrecker“ verletze diejenigen, die sich für eine Befreiung vom Burenregime einsetzten. Die vom Kläger in dem Gespräch mit dem Kirchenpräsidenten am 12. Dezember 1988 geäußerte Rechtfertigung eigener Schulen für Weiße widerspreche der theologischen Grundposition der evangelischen Kirche zur Rassentrennung. Fragwürdig erscheine schließlich auch die besondere Position, die die Nationalhymne in den Papieren der Pfadfinderschaft einnehme. Der Gebrauch der ersten Strophe widerspreche zudem dem kirchlichen Auftrag zur Versöhnung zwischen den Völkern.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der vorgelegten Personalakten des Klägers (1 Band) sowie der die Wolfgang-Philipp-Gesellschaft betreffenden Akten der Beklagten (2 Bände) Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:

Das Begehren des Klägers ist in der in der mündlichen Verhandlung präzisierten Fassung als Anfechtungsklage (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 KVVG) statthaft. Bei der Verlängerung der Probezeit eines Pfarrvikars handelt es sich um einen belastenden kirchlichen Verwaltungsakt. Er schmälert die Rechtsstellung des Pfarrvikars insoweit, als die Möglichkeit einer Entlassung wegen nicht hinreichender Geeignetheit (§ 61 Abs. 2 lit. b PfG) um die Dauer der Verlängerung der Probezeit hinausgeschoben wird (vgl. für das staatliche Beamtenrecht Hess. VGH, Urteil vom 2.5.1984 -1 OE 54/83 -, DöD 1984, 197 m.w.N.).
Die Klage ist auch im übrigen zulässig. Sie ist insbesondere fristgerecht erhoben. Da die angegriffene Maßnahme dem Kläger ohne Rechtsmittelbelehrung bekanntgegeben worden ist, war die Anrufung des Gerichts bis zum Ablauf von sechs Monaten seit der Entscheidung zulässig (§ 18 Abs. 3 KVVG).
Die Klage ist auch begründet. Die Maßnahme der Beklagten ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Es ist bereits zweifelhaft, ob die Beklagte dem Kläger vor Erlass der angegriffenen Maßnahme in hinreichender Weise rechtliches Gehör gewährt hat.
Die Verpflichtung zur Gewährung rechtlichen Gehörs ist für die Verlängerung der Probezeit eines Pfarrvikars - anders als etwa für die Versetzung eines Pfarrers (vgl. § 36 Abs. 1 PfG) - nicht ausdrücklich angeordnet. Die Notwendigkeit ergibt sich indes auch ohne spezielle gesetzliche Regelung aus der Schutzverpflichtung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau gegenüber ihren Pfarrern und Pfarrvikaren (§§ 29 Abs. 1 PfG, 58 Satz 1 PfG). Diese gebietet es generell, den Pfarrer oder Pfarrvikar anzuhören, bevor der Dienstherr aus einem Sachverhalt Folgerungen ableitet, die dem Bediensteten abträglich sind. Dies ist für das staatliche Beamtenrecht, dem das Pfarrerrecht in weiten Teilen nachgebildet ist, allgemein anerkannt (vgl. etwa Scheerbarth/Höfffken, Beamtenrecht, 4. Auflage 1982, § 17 III 2 b; Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 1983, RdNr. 172; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, 5. Auflage 1987, § 116 RdNr. 25) und muss für das kirchliche Dienstrecht in verstärktem Masse gelten. In einer christlichen Gemeinschaft ergibt sich die Verpflichtung zur Gewährung rechtlichen Gehörs nämlich gleichzeitig aus dem Gebot der Brüderlichkeit und des rechten Umgangs miteinander (KVVG, Beschluss vom 25.11.1982- I 4/82 -, Entscheidungssammlung Nr. 43 - Dekanwahl - S. 6).
Die Verpflichtung zur Gewährung rechtlichen Gehörs soll verhindern, dass der Mensch zum bloßen Objekt behördlichen Handelns gemacht wird (vgl. Kopp, VwVfG, 4. Auflage 1986, § 28 RdNr. 2). Der Bedienstete muss deshalb Gelegenheit haben, sich zum Gegenstand des Verfahrens zu äußern (vgl.. Kopp, VwVfG, 4. Auflage 1986, § 28 RdNr. 5). Dies setzt voraus, dass ihm dieser auch bekannt gegeben wird. Dies durfte vorliegend bei der als Anhörung in Betracht zu ziehenden Unterredung vom 23. August 1988 nicht der Fall gewesen sein. Zwar hat der Kläger ausweislich eines Vermerks in den Sachakten der Beklagten bei der telefonischen Terminvereinbarung gefragt, ob das Gespräch mit seiner Bewerbungsfähigkeit in Beziehung stehe oder gebracht werden könne. Es ist indes weder aus den von der Beklagten vorgelegten Akten ersichtlich noch sonst vorgetragen, dass dem Kläger eröffnet worden wäre, das Gespräch diene der Vorbereitung einer Entscheidung über die etwaige Verlängerung seiner Probezeit. Dagegen spricht auch, dass sich die die bezüglichen Vorgange nicht in den Personalakten des Klägers befinden.
Allerdings dürfte dem Kläger durch die Mitteilung der Kirchenverwaltung vom 8. September 1988 der Zusammenhang zwischen den geführten Gesprächen und seiner Bewerbungsfähigkeit. d.h. auch einer etwaigen Verlängerung der Probezeit, deutlich geworden sein. Es könnte deshalb das Gespräch mit dem Kirchenpräsidenten am 12. Dezember als Anhörung anzusehen sein. Zweifel hieran bestehen indes bereits in formaler Hinsicht. Da sich auch insoweit in den Personalakten des Klägers keine Unterlagen befinden, spricht manches dafür, dass es sich bei dem Vier-Augen-Gespräch zwischen dem Kläger und dem Kirchenpräsidenten um eine seelsorgerliche Unterredung und nicht um die förmliche Anhörung im Rahmen eines kirchlichen Verwaltungsverfahrens gehandelt haben könnte. Zweifel bestehen aber auch in materieller Hinsicht, denn es steht nicht fest, ob dem Kläger - wie es wohl erforderlich gewesen wäre - die Stellungnahme von Probst Kern vom 31. August 1988 bei dem Gespräch eröffnet worden ist.
Zweifelhaft erscheint weiter, ob der angegriffene Bescheid hinreichend begründet ist.
Die Pflicht zur Begründung einer Verwaltungsentscheidung stellt ein wesentliches Erfordernis eines jeden rechtsstaatlichen, mithin auch des kirchlichen Verwaltungsverfahrens dar. Die Begründung muss erkennen lassen, von welchen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen und Überlegungen die Behörde bei ihrer Entscheidung ausgegangen ist. Sie darf sich dabei nicht in formelhaften allgemeinen Darlegungen erschöpfen. Sie muss vielmehr die für die konkrete Entscheidung maßgeblichen Gründe nennen, damit dem Adressaten die Möglichkeit gegeben ist, sich über einen eventuellen Rechtsbehelf gegen die Entscheidung schlüssig zu werden (vgl. Kopp, VwVfG, 4. Auflage 1986, § 39 RdNr. 1,6).
Das Gericht hat erhebliche Zweifel, ob die Begründung in dem angefochtenen Bescheid diesen Erfordernissen genügt. Die Darlegungen begnügen sich nämlich mit pauschalen und undifferenzierten Feststellungen, die nicht erkennen lassen, was dem Kläger konkret zum Vorwurf gemacht wird und weshalb Bedenken an seiner Eignung zum Pfarrdienst bestehen. Hinsichtlich der getroffenen Ermessensentscheidung fehlt darüber hinaus jegliche Begründung.
Ob in dem Schriftsatz der Beklagten vom 27. April 1989 eine zulässige Präzisierung der Begründung gesehen werden kann, erscheint schon darum problematisch, weil auch er keine Darlegung der Gründe für die getroffene Ermessensentscheidung enthält.
Das Gericht kann diese formellen Fragen des Verwaltungsverfahrens jedoch letztlich dahingestellt sein lassen, da sich die Verlängerung der Probezeit des Klägers aus materiellen Gründen als rechtswidrig erweist.
Die Kammer neigt allerdings zu der Ansicht, dass eine nachträgliche Verlängerung der Probezeit entgegen der Auffassung des Klägers nicht nur im staatlichen, sondern auch im kirchlichen Dienstrecht zulässig ist.
Auf das Dienstverhältnis des Klägers finden die Vorschriften des Erprobungsgesetzes Anwendung (§ 25 Abs. 1 Satz 1 EG). Die Regelprobezelt betrug somit drei Jahre (§ 5 Abs. 1 EG). Die Übergangsregelung des § 24 EG, wonach die Probezeit weiterhin zweieinhalb Jahre dauert, gilt - entgegen der Auffassung des Klägers - nur für solche Bedienstete, die sich am 1. Mai 1985, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Erprobungsgesetzes (§ 25 Abs. 1 Satz 1 EG), bereits als Pfarrvikar im Dienst der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau befanden. Diese Voraussetzung erfüllt der Kläger, der am 1. Oktober 1985 zum Pfarrvikar ernannt worden war, nicht.
Die Regelprobezeit des Klägers war somit mit dem 30. September 1988 abgelaufen. Die mit Verfügung vom 20. Dezember 1988 ausgesprochene Verlängerung dürfte gleichwohl noch rechtzeitig erfolgt sein.
Für das staatliche Beamtenrecht ist anerkannt, dass der Dienstherr nicht verpflichtet ist, die Entscheidung über die Bewährung eines Beamten bereits bei Abschluss der Probezeit zu treffen. Er ist vielmehr im Zweifel gehalten, den vollen Ablauf der Probezeit auch zu Gunsten des Beamten abzuwarten und alsbald seine Entscheidung über die Bewährung in angemessener Frist zu treffen (BVerwG, Urteil vom 29.10.1964 - II C 219.62 -, E 19, 344 [347]; Hess. VGH, Urteil vom 2.5.1984 - I OE 54/83 -, DöD 1984, 197 [198]).
Die Kammer neigt dazu, diesen Grundsätzen Geltung auch im kirchlichen Dienstrecht zuzuerkennen. Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass der Wortlaut der einschlägigen Vorschriften unterschiedlich ist und eine abweichende Interpretation nahe legt. Während nämlich sowohl im Laufbahnrecht des Bundes als auch im Laufbahnrecht des Landes Hessen eine Feststellung der Bewährung des Beamten ausdrücklich vorgesehen ist (vgl. §§ 7 Abs. 3 Satz 1 BLV, 3 Abs. 6 Satz 1 LaufbahnVO HE), macht § 6 Abs. 1 Satz 1 EG die Bewerbungsfähigkeit des Pfarrvikars scheinbar vom bloßen Ablauf der Probezeit abhängig, so dass eine nachträgliche Verlängerung ausgeschlossen sein könnte.
Eine derartige Interpretation würde indes Sinn und Zweck der Probezeit nicht gerecht. Die Probezeit soll erweisen, ob der Pfarrvikar für den Dienst als Pfarrer geeignet ist (vgl. § 5 Abs. 1 EG). Diese Feststellung ist ein Akt wertender Erkenntnis, der dem Dienstherrn zukommt. Die Kammer sieht keine Anhaltspunkte, dass der kirchliche Gesetzgeber bei der Regelung der Probezeit der Pfarrer von dem staatlichen Beamtenrecht, dem er das Recht der Pfarrer in weiten Teilen nachgebildet hat, abweichen und die Eignung eines Pfarrvikars mit Ablauf der Regelprobezeit hat fingieren wollen.
Eine abschließende Entscheidung braucht die Kammer insoweit jedoch nicht zu treffen. Auch wenn eine nachträgliche Verlängerung der Probezeit möglich ist und man vorliegend die Überlegungsfrist von immerhin fast drei Monaten noch als angemessen betrachtet, erweist sich der Beschluss der Beklagten vom 13. Dezember 1988 als fehlerhaft.
Bei der Feststellung, ob begründete Bedenken gegen die Ernennung eine. Pfarrvikars als Pfarrer bestehen (§ 5 Abs.. 1 EG), steht dem Dienstherrn - ebenso wie im staatlichen Beamtenrecht (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.9.1962 - II C 164.61 -, E 15, 39 [40 f. ]); Hess. VGH, Urteil vom 2. Mai 1984 - 1 OE 54/83 -, DöD 1984, 197, 198; Niedermaier/H. Arndt, in: GKöD, Bd. 1, § 22 BBG RdNr. 9) - ein gerichtlich nicht überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Die Entscheidung der Beklagten kann vom Gericht deshalb nur daraufhin überprüft werden,
- ob der Begriff der begründeten Bedenken gegen die Eignung und die gesetzlichen Grenzen des Beurteilungsspielraums verkannt worden sind,
- ob der Beurteilung ein unrichtiger Sachverhalt zu Grunde liegt und
- ob allgemeine Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachwidrige Erwägungen angestellt worden sind.
Einer Überprüfung an Hand dieser Maßstäbe hält der angefochtene Beschluss der Beklagten nicht stand. Die Beklagte hat den Begriff der begründeten Bedenken gegen die Eignung als Pfarrer verkannt.
Bei den vom Gesetz genannten Bedenken muss es sich um in der Person des Pfarrvikars wurzelnde Zweifel an dessen Geeignetheit handeln, die dem Dienstherrn ein abschließendes Urteil zum Ende der Probezeit nicht ermöglichen. Die Verlängerung der Probezelt hat den Sinn und Zweck, die Beurteilungsbasis zu vergrößern und dem Bediensteten die Möglichkeit zu geben, die an seiner Eignung bestehenden Bedenken zu beheben. Die Verlängerung der Probezeit darf aber nicht dazu missbraucht werden, die abschließende Entscheidung des Dienstherrn über die Eignung für den Dienst als Pfarrer ohne triftigen Grund hinauszuschieben (vgl. Niedermaier/ H. Arndt, in: GKöD, Bd. 1, § 22 BBG RdNr. 15).
Dies ist aber vorliegend geschehen. Wie dem Bescheid vom 20. Dezember 1988 zu entnehmen ist, hat die Beklagte die Probezeit verlängert, um Zeit für eine weitere theologische Prüfung der Problematik zu gewinnen. An keiner Stelle des Bescheids wird erkennbar, was der Kläger hätte tun können, um die von der Beklagten behaupteten Bedenken an seiner Eignung auszuräumen. Nach dem Bescheid ist vielmehr davon auszugehen, dass das weitere dienstrechtliche Vorgehen der Beklagten nicht von der Entwicklung des Klägers. sondern ausschließlich vom Ergebnis der theologischen Prüfung der Beklagten abhangt. Zweifel hat die Beklagte nämlich vorliegend nicht an dem Persönlichkeitsprofil des Klägers, sondern hinsichtlich der theologischen Bewertung der vom Kläger vertretenen Auffassungen. Dies zeigt sich deutlich an dem von der Beklagten mit der Verlängerung der Probezeit erteilten Prüfungsauftrag an das Leitende Geistliche Amt.
Zur Klärung dieser Zweifel ist die Verlängerung der Probezeit nicht das geeignete dienstrechtliche Mittel. Erweist sich die Ermittlung und Verarbeitung der Beurteilungsfaktoren aus der Probezeit als besonders schwierig, mag dies Auswirkungen auf die Länge der dem Dienstherrn nach den obigen Ausführungen wohl zuzubilligenden angemessenen Überlegungsfrist haben. Eine derartige Fallgestaltung ist aber kein triftiger Grund für die Verlängerung der Probezeit. Dies gilt um so mehr, wenn dem Dienstherrn - wie hier - die grundsätzliche Fragestellung seit langem bewusst ist. Der offenbar bei der Beklagten eingetretene Meinungsumschwung in der Bewertung der Tätigkeit der Wolfgang-Philipp-Gesellschaft und die dadurch aufgetretene Notwendigkeit, die theologische Problematik der von dem Kläger und der Wolfgang-Philipp-Gesellschaft vertretenen Positionen neu aufzuarbeiten, kann nach Auffassung der Kammer jedenfalls nicht zu Lasten des Klägers gehen.
Für das Verfahren werden Gebühren und Auslagen nicht erhoben (§ 36 Satz 1 KVVG). Als unterliegender Teil hat die Beklagte die außergerichtlichen Kosten zu tragen (§§ 38 KVVG. 154 Abs. 1 VwGO).