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Benutzung der Kirchenglocken
und Verfügungsrecht hierüber

Bek. vom 8. März 1948

(ABl. 1948 S. 25)

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Zur Beseitigung von da und dort bestehenden Unklarheiten weisen wir unter Wiederholung grundsätzlicher Anordnungen der Vergangenheit (siehe insbesondere GuVBI. 1939 S. 58) erneut auf Folgendes hin:
Das Läuten der Kirchenglocken bei Kultushandlungen ist ein rein kultischer Akt. Die Kirchenglocken dienen kraft ihres öffentlichen Widmungszweckes zum kirchlichen Kultusgebrauch allein kirchlichen Kultuszwecken.
Daraus folgt:
  1. Über die Benutzung der Kirchenglocken zu Kultuszwecken entscheidet allein der Kirchenvorstand. Der Kirche steht das alleinige Verfügungs- und Benutzungsrecht an den Kirchenglocken zu Kultuszwecken zu.
  2. Das Glockengeläute kann ausschließlich nur bei kirchlichen Kultushandlungen gewährt werden.
  3. Das Verfügungs- und Benutzungsrecht über die Kirchenglocken zu kultischem Geläute steht dem Kirchenvorstand unabhängig davon zu, in wessen Eigentum die Kirchenglocken stehen, wer sie anzuschaffen und zu unterhalten, und wer etwa die Glöcknerbesoldung zu tragen hat.
  4. Das Recht der bürgerlichen Gemeinden auf Benutzung der Kirchenglocken zum bürgerlichen oder polizeilichen Läuten bleibt unberührt und bestehen.
Unberührt bleibt ferner:
  1. das herkömmliche oder vereinbarte, auf Gegenseitigkeit beruhende Beerdigungsgeläute für Katholiken in der Diaspora,
  2. das den sogenannten Konfessionsverwandten auf Antrag der Angehörigen des Verstorbenen zu gewährende Beerdigungsgeläut, wenn dieser niemals der evang. Landeskirche angehört hat. Als Konfessionsverwandte gelten die Angehörigen der in der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland zusammengeschlossenen Kirchen.
    Diese sind:
    Evangelische Kirche in Deutschland,
    Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland, Bischöfliche Methodistenkirche in Deutschland,
    Evangelische Gemeinschaft in Deutschland,
    Bund freier Evangelischer Gemeinden,
    Vereinigung der Deutschen Mennonitengemeinden,
    Altkatholische Kirche in Deutschland.
Vorstehende Grundsätze sind in Rechtsprechung und Verwaltungspraxis anerkannt. Es ist den Pfarrämtern und Kirchenvorständen nicht gestattet, von dieser klaren Rechtslage abzuweichen.
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Anhang I

Abschrift
Der Hessische Minister des Innern
Wiesbaden, den 25.11.1950
Bertramstraße 3
IVa (1) – 47 c 02-05
Aktenzeichen: Tgb. Nr. 5451/50
An die
Herren Regierungspräsidenten in
Darmstadt
Kassel
Wiesbaden
Nachrichtlich
Herrn Minister für Erziehung und Volksbildung,
Der Kirchenleitung der Ev. Kirche in Hessen und Nassau, Wiesbaden, Emserstr. 3,
dem Kirchenverwaltungsamt der Ev. Kirche in Hessen u. Nassau, Darmstadt,
Adelungstr. 38
und dem Bischöflichen Generalvikariat, Fulda, Domplatz 2.
Betr.: Benutzung der Kirchenglocken durch die bürgerlichen Gemeinden.
Aus gegebener Veranlassung weise ich darauf hin, dass ohne Rücksicht darauf, in wessen Eigentum die Kirchenglocken stehen, das Verfügungsrecht über die Kirchenglocken entsprechend deren Widmung zu kultischen Zwecken der Kirchengemeinde zusteht. Die bürgerlichen Gemeinden sind zur Benutzung der Kirchenglocken nur insoweit berechtigt, als es die polizeilichen Bedürfnisse oder die allgemeinen Gemeindezwecke erfordern. Ein durch Herkommen oder durch privatrechtlichen Titel in weiterem Umfange begründetes Benutzungsrecht der bürgerlichen Gemeinden bleibt unberührt (vgl. Art. 17 des Gesetzes, das Eigentum an Kirchen, Pfarrhäusern usw. betr. v. 6.8.1902, Hess.Reg.Bl. S. 51; Can. 1169 §§ 3, 4; Ausschreiben der Ev. Kirchenleitung in Hessen und Nassau v. 8.3.1948, Amtsblatt Nr. 3/48). Hieraus ergibt sich, dass die Benutzung der Kirchenglocken zu kultischen Zwecken, z.B. bei Beerdigungsgeläute, allein der Kirchengemeinde zusteht. Die bürgerliche Gemeinde hat demnach insbesondere kein Recht zur Benutzung der Kirchenglocken bei Beerdigung von Personen, die aus der Kirche ausgetreten sind.
Ich bitte, die Gemeinden auf die Beachtung dieser Rechtslage hinzuweisen.
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Anhang II

Auszug aus dem im Verlag von J. Diemer in Mainz (1902) erschienenen Buches von Dr. Best:
„Das Gesetz, das Eigentum an Kirchen, Pfarrhäuser etc. betreffend vom 6. August 1902“. Diese Gesetzesbestimmungen gelten nur im Bereich der ehemaligen Ev. Landeskirche in Hessen.
Artikel 17. Zu der Benutzung der Kirchtürme, Kirchenglocken, Kirchenuhren und der in den kirchlichen Gebäuden oder auf kirchlichen Grundstücken befindlichen Räume, welche feuerpolizeilichen oder anderen polizeilichen Zwecken dienen, ist die bürgerliche Gemeinde ohne Rücksicht1# darauf, in wessen Eigentum die Türme, Glocken, Uhren, Gebäude oder Grundstücke stehen und ob sie schon bei dem Inkrafttreten dieses Gesetzes vorhanden waren, insoweit berechtigt, als es die allgemeinen Gemeindezwecke2# erfordern. Ein durch Herkommen oder durch einen privatrechtlichen Titel in weiterem Umfange begründetes Benutzungsrecht bleibt unberührt3#.
Artikel 18. Soweit durch die der bürgerlichen Gemeinden aufgrund des Artikels 174# zustehende Benutzung eine nicht unerhebliche Abnutzung der dem Benutzungsrecht unterliegenden Gegenstände bedingt wird, ist die bürgerliche Gemeinde verpflichtet, der Kirchengemeinde einen dem Maße ihrer Benutzung entsprechenden Teil der Kosten der Instandhaltung der benutzten Gegenstände zu ersetzen5#.

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1 ↑ Da die bürgerliche Gemeinde nicht nur in den Fällen des in dem Gesetz vorgesehenen Eigentumsübergangs, sondern ganz allgemein und unabhängig davon, wer Eigentümer der Kirche ist, im öffentlichen Interesse des Benutzungsrechts an den Türmen und Glocken etc. bedarf, so beschränkt sich die Vorschrift des Artikel 17 nicht auf die bezeichneten Fälle, sondern stellt zur Beseitigung von Zweifeln und Streitigkeiten dieses Benutzungsrecht allgemein sicher. Die Vorschrift des Art. 17 stellt sich als eine landesgesetzlich im öffentlichen Interesse angeordnete Eigentumsbeschränkung dar und es bedarf deshalb das den bürgerlichen Gemeinden eingeräumte Benutzungsrecht einer Wahrung in dem Grundbuche des neuen Rechtes nicht.
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2 ↑ Durch die Beschränkung des Benutzungsrechts auf die aus den „allgemeinen Gemeindezwecken“ sich ergebende Bedürfnisse soll nach der Begründung Sicherung dafür geschaffen werden, dass durch die bürgerliche Gemeinde nicht eine Benutzung erfolgt, zu welcher ihrer Natur nach nur die Kirche berechtigt sein kann. Ob eine im Einzelfalle beanspruchte Benutzung durch die allgemeinen Gemeindezwecke erfordert wird, ist im Streitfalle von der zuständigen Behörde (Artikel 19) in gleicher Weise zu entscheiden wie in dem Falle der Enteignung die Frage, ob die Entziehung oder Beschränkung des Eigentums für ein zum öffentlichen Nutzen dienendes Unternehmen erfordert wird.
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3 ↑ Da das Gesetz nur die notwendige Benutzung sichert, so bestand kein Anlass, ein auf Herkommen oder privatrechtlichen Titel beruhendes Benutzungsrecht unter Berufung darauf, dass es das Maß des Notwendigen überschreite, in Frage zu stellen.
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4 ↑ Soweit es bei einem auf Herkommen oder einem Privatrechtstitel beruhenden Benutzungsrecht der bürgerlichen Gemeinde sein Bewenden behält, liegen der bürgerlichen Gemeinde keinerlei Verpflichtungen ob, die seither nicht bestanden haben. Nur da, wo durch die Vorschrift des Artikel 17 ein seither nicht bestehendes Recht begründet, ein bestehendes Recht erweitert oder ein seither aus dem Eigentum entspringendes Benutzungsrecht mit Rücksicht auf den Eigentumsübergang durch ein gesetzliches Benutzungsrecht ersetzt wird, legt der Artikel 18 der bürgerlichen Gemeinde eine Ersatzpflicht hinsichtlich derjenigen Kosten der Instandhaltung auf, welche durch die Ausübung des neu entstandenen oder erweiterten Rechtes verursacht werden.
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5 ↑ Wegen der Entscheidung von Streitigkeiten über den Ersatzanspruch vgl. den Art. 19 Abs. 2.