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Dienstordnung
für die evangelischen und katholischen Anstaltspfarrer
in den Justizvollzugsanstalten des Landes Hessen

Vom 10. November 1977

Im Einvernehmen mit den Bistümern Fulda, Limburg und Mainz und der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau und der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck wird gemäß Art. 3 Abs. 4 der Vereinbarung zwischen den Evangelischen Kirchen und den Katholischen Bistümern in Hessen und dem Lande Hessen über die Seelsorge in den Justizvollzugsanstalten des Landes Hessen vom 26. August 1977 für den Dienst der evangelischen und katholischen Anstaltspfarrer in den Justizvollzugsanstalten des Landes Hessen folgendes bestimmt:
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Die Seelsorge in den Justizvollzugsanstalten des Landes Hessen bildet einen Teil der den Kirchen obliegenden allgemeinen Seelsorge.
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Für die Anstaltsseelsorge gelten die Gottesdienstordnungen, Agenden, Ordnungen und Bestimmungen der für die Anstaltspfarrer zuständigen Kirche bzw. des zuständigen Bistums.
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Der Anstaltspfarrer arbeitet mit den anderen im Vollzug Tätigen zusammen und wirkt im Rahmen seiner seelsorgerischen Verpflichtung daran mit, das Vollzugsziel zu erreichen. Er ist verpflichtet, bei der Ausübung seines Dienstes die ihn betreffenden Bestimmungen über den Justizvollzug und über die Untersuchungshaft zu beachten.
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Zur Anstaltsseelsorge gehören im wesentlichen folgende Aufgaben:
  1. regelmäßige Gottesdienste an Sonntagen und kirchlichen Feiertagen und Gottesdienste gemäß besonderer Absprache;
  2. Abnahme der Beichte und Spendung/Verwaltung der Sakramente;
  3. Vornahme sonstiger Amtshandlungen;
  4. seelsorgerische Gespräche mit den Gefangenen
    1. einzeln auf deren Zellen,
    2. einzeln oder in Gruppen in Dienst- und Freizeiträumen;
  5. seelsorgerlicher Beistand für die Gefangenen und deren Angehörige in Partnerschafts-, Ehe- und Familienangelegenheiten;
  6. Krankenseelsorge;
  7. Kontaktaufnahme zu den Angehörigen der Gefangenen und ihren Kirchengemeinden;
  8. Abhaltung von Besuchen aus besonderem seelsorgerischem Anlass mit Zustimmung der Anstaltsleitung; sie kann nur aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung verweigert werden;
  9. die religiöse Unterweisung und sonstige Hilfen zur Persönlichkeitsbildung, insbesondere durch Gruppenarbeit, Kurse und Mitwirkung bei der Freizeitgestaltung;
  10. Mitwirkung bei der sozialen Hilfe für die Gefangenen und ihre Familien;
  11. Mitwirkung bei der Anschaffung religiöser Bücher und Schriften;
  12. Beratung bei der Anschaffung von Büchern für die Gefangenen-Bücherei;
  13. Teilnahme an Konferenzen und Dienstbesprechungen;
  14. Mitwirkung bei der Persönlichkeitserforschung der Gefangenen und der Aufstellung und Durchführung des Vollzugsplanes;
  15. Bereitschaft zur Seelsorge an Mitarbeitern des Strafvollzugs, unbeschadet der Zuständigkeit des Gemeindepfarrers;
  16. Mitwirkung bei der Aus-, Fort- und Weiterbildung der Anstaltsbediensteten;
  17. Mitwirkung bei der Öffentlichkeitsarbeit in Gesellschaft und Kirche.
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Äußerungen in Gnadensachen und in Verfahren nach § 57 StGB sowie die Mitwirkung bei der Persönlichkeitserforschung kann der Anstaltspfarrer in Einzelfällen ablehnen.
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6

Die Justizverwaltung schafft die zur Dienstausübung der Anstaltsseelsorge nötigen organisatorischen Voraussetzungen. Dazu gehören im Rahmen der geltenden Bestimmungen
  1. Mitteilung der Personalien der zu- und abgehenden Gefangenen des eigenen Bekenntnisses und Einsicht in die Personalakten der Gefangenen;
  2. selbstständiger Zugang zu den Gefangenen unter Aushändigung eines Anstaltsschlüssels;
  3. Ermöglichung des Kontaktes zwischen Gefangenen und Anstaltspfarrern von Seelsorgegesprächen in den Zellen und in Gruppenräumen sowie von Besuchen im Dienstzimmer des Anstaltspfarrers;
  4. unverzügliche Information bei besonderen Vorkommnissen (z.B. Erkrankungen, Suizidversuchen, Todesfällen, Einlieferung in die Beruhigungs- bzw. Arrestzelle);
  5. Berücksichtigung der Gottesdienste und anderer Veranstaltungen im Veranstaltungsprogramm der Anstalt sowie Zulassung der Gefangenen zur Teilnahme;
  6. Zuteilung geeigneter Räume für die Veranstaltungen der Anstaltsseelsorge; Nutzungsänderungen sind nur im Benehmen mit dem Anstaltspfarrer zulässig;
  7. Bereitstellung eines geeigneten Dienstzimmers einschließlich eines Telefons mit Außenverbindung;
  8. ungehinderte Führung telefonischer Dienstgespräche;
  9. Erledigung der Schreib- und Verwaltungsarbeit des Anstaltspfarrers durch die Verwaltung;
  10. Zuteilung von Helfern aus den Reihen der Gefangenen;
  11. Bereitstellung ausreichender Mittel zur Deckung des angemessenen Sachbedarfs.
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Der Anstaltspfarrer kann auf deren Wunsch auch Gefangene betreuen, die nicht seiner Konfession angehören.
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Der Anstaltspfarrer kann mit ehrenamtlichen Mitarbeitern zusammenarbeiten sowie mit Zustimmung des Anstaltsleiters freiwillige Helfer und mithelfende Gruppen zur Unterstützung seiner Arbeit heranziehen.
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Die Urlaubsvertretung regelt der Anstaltspfarrer nach Abstimmung mit der zuständigen Kirchenbehörde im Einvernehmen mit dem Anstaltsleiter. Die Krankheitsvertretung regelt die zuständige Kirchenbehörde im Einvernehmen mit dem Anstaltsleiter.
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Der hauptamtliche Anstaltspfarrer setzt im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit für den öffentlichen Dienst seine Dienstzeit im Benehmen mit dem Anstaltsleiter fest. Der nebenamtliche Anstaltspfarrer setzt seine Dienstzeit im Benehmen mit dem Anstaltsleiter fest.
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Der hauptamtliche Anstaltspfarrer hat Anspruch auf Urlaub und Dienstbefreiung nach den für Pfarrer allgemein geltenden Vorschriften.
Der Anstaltspfarrer hat darüber hinaus das Recht, an Exerzitien bzw. Pfarrer-Rüstzeiten/Pastoralkollegs und anderen Veranstaltungen, die für seinen Dienst förderlich sind, entsprechend den für Pfarrer geltenden Vorschriften ohne Anrechnung auf den Urlaub teilzunehmen. Urlaub und Dienstbefreiung erteilt die zuständige Kirchenbehörde im Benehmen mit dem Anstaltsleiter.
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Für die Seelsorge im Vollzug der Untersuchungshaft und im Jugendstrafvollzug gelten darüber hinaus die besonderen Vorschriften.
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Bei Schwierigkeiten in der Anwendung oder Auslegung dieser Dienstordnung, die nicht zwischen Anstaltsleiter und Anstaltsseelsorger behoben werden können, werden sich der Hessische Minister der Justiz und die Kirchen/Bistümer unverzüglich informieren und versuchen, Schwierigkeiten einvernehmlich zu beseitigen.
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Die Änderung dieser Dienstordnung ist nur in gegenseitigem Einvernehmen zwischen dem Hessischen Minister der Justiz und den Kirchenleitungen/Bistümern möglich.
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Diese Dienstordnung tritt mit Wirkung vom 1. September 1977 in Kraft.