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Rechtsverordnung
für die Notfallseelsorge in der Evangelischen Kirche
in Hessen und Nassau (NfSVO)

Vom 31. Januar 2019

(ABl. 2019 S. 135)

Die Kirchenleitung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau hat aufgrund von § 5 Absatz 3 des Seelsorgegeheimnisgesetzes der Evangelischen Kirche in Deutschland1# i. V. m. § 2 des Kirchengesetzes zur Zustimmung zum Seelsorgegeheimnisgesetz der EKD2# folgende Rechtsverordnung beschlossen:
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Abschnitt 1
Voraussetzungen und gesamtkirchliche Vorgaben

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§ 1
Organisation der Notfallseelsorge

( 1 ) Seelsorge für Menschen in Notfällen, Krisen und Katastrophen (Notfallseelsorge) wird von der Gesamtkirche und den Dekanaten verantwortet. Die Gesamtkirche ist dafür verantwortlich, dass für die Notfallseelsorge die erforderlichen Personalstellen und Sachmittel (inkl. Versicherungsschutz) zur Verfügung stehen. Die Dekanate sind Träger der jeweiligen Notfallseelsorge-Systeme und verantworten deren Arbeit in der Region.
( 2 ) Die Notfallseelsorge ist eingebunden in die von Landkreisen und kreisfreien Städten vorgehaltene psychosoziale Notfallversorgung (PSNV) in der täglichen Gefahrenabwehr, für Großschadensereignisse, Notfallsituationen sowie Krisen- und Katastrophenfälle.
( 3 ) Jeder Rettungsleitstelle der Landkreise und kreisfreien Städte ist ein kirchliches oder kirchennahes Notfallseelsorge-System zugeordnet. Dieses kann im Fall einer Alarmierung der Rettungskette im Bedarfsfall durch eine Einsatzleiterin oder einen Einsatzleiter alarmiert und daraufhin tätig werden.
( 4 ) Im Rahmen dieser organisierten Notfallseelsorge werden ehrenamtlich Mitarbeitende sowie Pfarrerinnen und Pfarrer freiwillig tätig. Die Aufgabe der Seelsorge in Notfällen als Aufgabe des Gemeindepfarramts bleibt hiervon unberührt.
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§ 2
Auftrag der Notfallseelsorge

Der kirchliche Auftrag umfasst:
  1. Verkündigung des Evangeliums als Kraft zum Leben und zum Sterben,
  2. Seelsorgliche Begleitung von Betroffenen, Hinterbliebenen, Angehörigen und Zugehörigen sowie Vermissenden,
  3. Präsenz der Kirche in der Psychosozialen Notfallversorgung der Bevölkerung in Deutschland (PSNV),
  4. Dialog sowie theologische und ethische Auseinandersetzung mit den Themen Krise, Notfall und Katastrophe.
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§ 3
Seelsorgestellen in der Notfallseelsorge

( 1 ) Pfarrstellen und Stellen im gemeindepädagogischen Dienst in der organisierten Notfallseelsorge (§ 1 Absatz 3) sind gesamtkirchliche Stellen mit regionaler Anbindung.
( 2 ) Die Pfarrstelle der oder des gesamtkirchlich Beauftragten für Notfallseelsorge ist eine gesamtkirchliche Stelle.
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§ 4
Aufgaben des Zentrums Seelsorge und Beratung

( 1 ) Das Zentrum Seelsorge und Beratung ist für die fachliche Begleitung und Beratung der Notfallseelsorge zuständig. Hierzu gehören vor allem die Vernetzung der einzelnen Bereiche, die Weiterentwicklung und Organisation der Aus- und Fortbildung sowie die Konzeptionsentwicklung und die Evaluation.
( 2 ) Das Zentrum Seelsorge und Beratung koordiniert und begleitet den Prozess der Auseinandersetzung der Kirche mit notfallmedizinischen, notfallpsychologischen, gesundheitspolitischen und gesellschaftspolitischen Fragen in Kirche und Gesellschaft.
( 3 ) Dem Zentrum Seelsorge und Beratung ist die Dienstaufsicht für die Notfallseelsorgestellen (§ 3) übertragen. Das Zentrum koordiniert die Zusammenarbeit mit dem Vorstand des Konvents der Notfallseelsorge.
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§ 5
Aufgaben der Notfallseelsorge

Die Notfallseelsorge hat folgende Aufgaben:
  1. Seelsorge in akuten Krisensituationen und Notfällen auf Anforderung einer Einsatzleiterin oder eines Einsatzleiters durch die zuständige Leitstelle,
  2. Zusammenarbeit mit anderen Seelsorgestellen und Psychologischen Beratungsstellen im Gebiet der EKHN,
  3. Zusammenarbeit mit sowie Fachberatung und Bildungsangebote für an der Rettungskette beteiligte Hilfsorganisationen und Einrichtungen (Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienste, THW, DLRG u. a.),
  4. Kooperation mit der jeweiligen Seelsorge der katholischen Bistümer im Gebiet der EKHN,
  5. Öffentlichkeitsarbeit.
Nähere Aufgaben regeln die örtlichen Konzepte und Einsatzgrundsätze PSNV.
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Abschnitt 2
Die Mitarbeitenden

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§ 6
Hauptamtlich Mitarbeitende in der Notfallseelsorge

( 1 ) Der Dienst der Notfallseelsorge wird sichergestellt durch Pfarrerinnen und Pfarrer sowie Gemeindepädagoginnen und Gemeindepädagogen oder Diakoninnen und Diakone, die die Notfallseelsorge-Systeme in der EKHN (§ 1 Absatz 3) eigenständig leiten und deren Arbeit verantworten.
( 2 ) Im Benehmen mit dem Zentrum Seelsorge und Beratung ernennt die Kirchenleitung eine gesamtkirchliche Beauftragte oder einen gesamtkirchlichen Beauftragten für Notfallseelsorge. Bei Großschadensereignissen koordiniert und leitet sie oder er überregionale Notfallseelsorge-Einsätze auf dem Kirchengebiet.
( 3 ) In der Notfallseelsorge engagieren sich Pfarrerinnen und Pfarrer freiwillig (§ 1 Absatz 3).
( 4 ) Diese Mitarbeitenden unterliegen der seelsorglichen Schweigepflicht im Sinne der §§ 3 und 4 des Seelsorgegeheimnisgesetzes der EKD3#. Sie haben über alles, was ihnen bei Ausübung ihres Dienstes seelsorglich anvertraut wird, Stillschweigen zu wahren. Eine Aussagegenehmigung kann nur die Kirchenleitung erteilen.
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§ 7
Ehrenamtlich Tätige in der Notfallseelsorge

( 1 ) In der Notfallseelsorge werden Ehrenamtliche beauftragt. Ehrenamtliche erhalten keinen besonderen Seelsorgeauftrag im Sinne des § 3 des Seelsorgegeheimnisgesetzes der EKD4#. Ehrenamtliche sind zur Verschwiegenheit nach Artikel 6 Absatz 4 der Kirchenordnung5# verpflichtet. Eine Aussagegenehmigung kann nur die Kirchenleitung erteilen.
( 2 ) Die ehrenamtlich Tätigen verpflichten sich schriftlich zur Verschwiegenheit und zur Einhaltung der Bestimmungen des Datenschutzes. Diese Verpflichtung ist aktenkundig zu machen.
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§ 8
Voraussetzungen und Qualifikationen

( 1 ) Eine angemessene Leitung von Notfallseelsorge-Systemen erfordert ein breites Spektrum an Kompetenzen und Qualifikationen. Hierzu gehören insbesondere personale, kommunikative, theologisch-pastorale, pädagogisch-theologische, institutionelle und interdisziplinäre Kompetenzen sowie Kompetenzen in der Teamleitung und Organisationsentwicklung. Voraussetzung für den hauptamtlichen Dienst in der Notfallseelsorge ist daher neben der persönlichen und fachlichen Eignung ein Grundkurs in Notfallseelsorge, Erfahrungen in der Notfallseelsorge und ein Sechs-Wochen-Kurs in klinischer Seelsorgeausbildung oder ein Äquivalent nach den Standards der Deutschen Gesellschaft für Pastoralpsychologie (DGfP).
( 2 ) Eine angemessene Ausübung zur Seelsorge für Menschen in Notfällen erfordert von den sich freiwillig engagierenden Pfarrerinnen und Pfarrern und von den ehrenamtlich Tätigen anderer Berufsgruppen ein hohes Maß an Fach- und Feldkompetenz. Hierzu gehören insbesondere theologische Grundlagen, Grundlagen der Notfallpsychologie, Fertigkeiten der Gesprächsführung und rechtliche Grundlagen sowie Kenntnisse der Organisationsstrukturen und Funktionsweisen der Hilfsorganisationen und Einrichtungen. Voraussetzung für den freiwilligen bzw. ehrenamtlichen Dienst in der Notfallseelsorge ist daher neben der persönlichen und fachlichen Eignung ein Grundkurs in Notfallseelsorge. Dieser umfasst für die Pfarrerinnen und Pfarrer 40 Unterrichtseinheiten und für die anderen Berufsgruppen 80 Unterrichtseinheiten. Näheres wird im Curriculum für die Notfallseelsorge geregelt.
( 3 ) Die berufsbegleitende Fortbildung richtet sich nach den inhaltlichen Schwerpunkten der Tätigkeit. Supervision soll von allen Mitarbeitenden wahrgenommen werden.
( 4 ) Allen Mitarbeitenden wird eine kostenfreie Schutzimpfung gegen Hepatitis B angeboten.
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§ 9
Konvente und Mitgliedschaften

( 1 ) Die in der Notfallseelsorge Mitarbeitenden (§ 6) bilden den Konvent für Notfallseelsorge. Für jedes Notfallseelsorge-System (§ 1 Absatz 3) kann eine weitere Vertreterin oder ein weiterer Vertreter in den Notfallseelsorge-Konvent entsandt werden.
( 2 ) Der Konvent dient dem gemeinsamen Erfahrungsaustausch, der innerkirchlichen Interessenwahrnehmung sowie der Verständigung auf gemeinsame Standards.
( 3 ) Der Konvent wählt aus seiner Mitte einen Konventsvorstand bestehend aus drei Personen, dem die oder der gesamtkirchliche Beauftragte für Notfallseelsorge als geborenes Mitglied angehört. Wiederwahl ist zulässig.
( 4 ) Der Konventsvorstand kann seine Arbeitsweise im Übrigen durch Geschäftsordnung regeln.
( 5 ) Die oder der gesamtkirchlich Beauftragte für Notfallseelsorge nimmt für die EKHN die Mitgliedschaft in der “Konferenz Evangelischer Notfallseelsorge in der EKD (KEN)“ wahr.
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Abschnitt 3
Schlussbestimmungen

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§ 10
Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Diese Rechtsverordnung tritt am 1. Februar 2019 in Kraft. Gleichzeitig tritt die Ordnung der Notfallseelsorge in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau vom 2. März 2006 (ABl. 2006 S. 120), geändert am 19. April 2007 (ABl. 2008 S. 118), außer Kraft.

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1 ↑ Nr. 145.
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2 ↑ Nr. 144.
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3 ↑ Nr. 145.
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4 ↑ Nr. 145.
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5 ↑ Nr. 1.